Mallorca Zeitung

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Mit Milli Vanilli wurde er zum Star und zum Schurken – heute verbringt Fab Morvan viel Zeit auf Mallorca und darf endlich selbst singen

Mit Milli Vanilli erlebte er einen rasanten Aufstieg und Fall. Heute verbringt Fab Morvan viel Zeit auf Mallorca. Und gibt endlich ein Konzert auf der Insel

Fab Morvan bei der Spanien-Premiere des Milli-Vanilli-Spielfilms „Girl You Know It’s True“ in Madrid Mitte März. | FOTO: JUAN BARBOSA/EUROPA PRESS

Geht man von den Bildern auf dem Familien-Instagram-Profil aus, lebt Fab Morvan mit seiner niederländischen Frau und den gemeinsamen vier Kindern auf Mallorca. Aber so genau möchte der Sänger, der Ende der 80er- Jahre mit Milli Vanilli zu Weltruhm gelangte, obwohl er nur so tat, als ob er sang, nicht darüber sprechen. Sagen wir es also so: Er verbringt längere Zeiträume auf Mallorca.

Vor drei Jahren war er das erste Mal da. Er spielte ein Privatkonzert unterhalb der Kathedrale in Ses Voltes, so erzählt er es in einem Videocall aus einem geheimen Ort. Danach kam er mit der Familie wieder. Alaró sei ein ausgezeichneter Ort, mit dem Wahnsinnsblick auf die Berge. Außerdem möge er Strände, wo es keine Urlauber gibt, sondern nur Einheimische. „Ich bin begeistert, dass weite Teile Mallorcas so gut geschützt sind“, sagt er.

Am 14. Juni tritt Fab Morvan im Rahmen des Mallorca Live Festivals erstmals auf der Insel auf, seit er hier längere Zeiträume verbringt. „Woohooo“, ruft er etwas unvermittelt in den Computer. Morvan sagt, das spanische Publikum reagiere immer sehr positiv. Die Menschen in sonnenverwöhnten und vor allem in spanischsprachigen Ländern hätten mehr Groove als die anderswo. Man kann nur hoffen, dass das traditionell eher reservierte mallorquinische Publikum ihm diesen Enthusiasmus für den Süden Europas nicht nimmt.

Aber was kann diesem Mann noch die Freude nehmen, nach allem was er durchgemacht hat? Fab Morvan stand Anfang der 90er-Jahre im Mittelpunkt eines der größten Skandale der Musikgeschichte. Milli Vanilli – das Duo, das nicht sang. Die Betrüger. Die ihre Grammys zurückgeben mussten.

Fab Morvan (li.) und Rob Pilatus auf der Bühne als Milli Vanilli. | FOTO: FRANZ-PETER TSCHAUNER

Die andere Version der Geschichte

Dass Morvan und seinen Bandpartner Rob Pilatus wohl der weitaus kleinere Teil der Schuld in der ganzen Geschichte traf, blieb lange unerwähnt. Eine Doku und ein in Deutschland produzierter Spielfilm, die im vergangenen Jahr herauskamen, haben das mittlerweile geradegerückt. „Die Reaktionen darauf haben mir gezeigt, dass viele Leute uns gar nicht den Rücken gekehrt hatten. Sie wussten nur nicht mehr, wo sie uns finden sollten.“

Monica Lewinsky, Bill Clintons Geliebte, hat vor Jahren in einem Interview gesagt, sie hätte zur Zeit ihres Skandals gerne Twitter gehabt. So hätten andere Stimmen zu ihr durchdringen können als nur die Empörung der Presse. Fab Morvan sagt Ähnliches. „Hätte es schon damals Social Media gegeben, wäre das Ganze anders gelaufen. Wir hätten Millionen Follower gehabt und ihnen unsere Version der Geschichte darlegen können.“ So musste er ein paar Jahrzehnte warten. Für Rob Pilatus kam dies zu spät. Er verstarb 1998 an einer Überdosis.

„Viele Leute wissen nicht“, ist ein Satzanfang, den Morvan, mittlerweile 58 Jahre alt, häufig verwendet während des Gesprächs. Sie wissen nicht, dass er seit Jahren auf Tournee ist. Dass er als DJ auftritt. Und vor allem, dass er sowohl als Solokünstler als auch begleitet von einer kompletten Band auftritt. Letzteres sei ihm am liebsten. Wenn der Austausch mit dem Publikum da sei. Wenn man gemeinsam ein Fest feiert. Wenn die Musiker untereinander agieren können. Anders gesagt: Wenn alles echt ist und nicht vom Band kommt, so wie er es bei Milli Vanilli machen musste.

Beim Mallorca Live Festival ist keine Band dabei. Der Auftritt ist auf 30 Minuten beschränkt. Die Instrumente kommen vom Band. Aber er werde alles geben, um möglichst viele Leute zu berühren, sagt er. „Ich bin der geborene Entertainer“, ergänzt er und die Bemerkung klingt ein wenig überflüssig. Man merkt es auch so.

Zusammengezuckt, als der Song im Supermarkt lief

Fab Morvan schreibt eigene Songs, aber auf der Bühne gibt es selbstverständlich die Milli-Vanilli-Klassiker. Sein Verhältnis zu Songs wie „Girl, You Know It’s True“ habe sich im Laufe der Zeit gewandelt. Nach der Euphorie der Jahre vor dem Skandal sei er zusammengezuckt, wenn der Song im Supermarkt lief. Mit der Zeit sei ihm aber klar geworden, dass die Lieder Teil seiner Geschichte sind. „Und als ich sie die ersten Male spielte, kamen die Leute auf mich zu und bedankten sich bei mir, dass ich weiterhin bereit bin, sie zu singen, auch wenn es nicht einfach ist.“ Er sei sich bewusst, dass die Lieder für viele Menschen den Soundtrack ihres Lebens darstellen. „Ich bin mit ihnen durch diese Songs verbunden. Es geht nicht nur um mich. Ich bin ein Teil des Puzzles“, sagt er.

Liebe. Liebe sei alles für den Musiker. Liebe zu verbreiten, treibe ihn an. Diese Art von Liebe, die einem beibringt aufzustehen, wenn man fällt. Die ihn, so erzählt er es, die Kraft gegeben hat durchzuhalten, auch nach der dunklen Zeit. Und weiterzumachen. Wie jetzt. Doku und Spielfilm sind draußen. Er arbeite an neuer Musik. Ein neuer Plattenvertrag ist offenbar auch in der Tasche. Er hat seine Kinder, seine Familie. „Ich liebe das Leben gerade“, sagt Fab Morvan.

Was ist das Vermächtnis von Milli Vanilli? „Wenn wir von Milli Vanilli reden, bin nur noch ich übrig. Du blickst auf einen Mann, der durch die Zeit gereist ist“, sagt Fab Morvan. „Ich wurde gemobbt, ich wurde gehänselt. Aber ich habe durchgehalten. Man muss an sich selbst glauben. Das ist das Vermächtnis.

Am Ende des Gesprächs fragt er: „Kommst du zu meiner Show beim Festival? Cool. Eine Bitte: Wenn ich sage: ‚Put your hands up‘ – dann streck auch wirklich deine Hände in die Luft.“ Er grinst.

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