Mallorca Zeitung

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"Extreme Blase": "Moppel-Ich"-Autorin Susanne Fröhlich porträtiert deutsche Auswanderer auf Mallorca

Leichte Kost – und doch ein gelungenes Porträt mancher Inselmilieus. Im MZ-Interview spricht Susanne Fröhlich über ihren Bezug zur Insel, Schönheitswahn, und warum so manche Mallorca-Deutsche im goldenen Käfig lebt

Autorin Susanne Fröhlich besitzt seit 18 Jahren ein Ferienhaus im Osten von Mallorca. Gaby Gerster

Susanne Fröhlich (Frankfurt/Main, 1962) ist Journalistin beim Hessischen Rundfunk und Bestseller-Autorin zahlreicher Romane. Ihr größter Buch-Erfolg „Moppel-Ich“ (2004) – ein Ratgeber, der sich auf humorvolle Weise mit Gewichtsproblemen auseinandersetzt – wurde verfilmt. Fröhlichs neuer Roman „Geparkt“ spielt auf Mallorca. Zum Telefon-Interview erwischt die MZ die Schriftstellerin auf einem Parkplatz in Thüringen. Sie ist auf Lesereise.

Im Buch zieht Protagonistin Monika aus Deutschland auf die Mallorca-Finca ihres reichen Liebhabers und wird dort quasi im Luxus „geparkt“. Als er sie abserviert, schmiedet sie Rachepläne. Die Handlung wirkt etwas konstruiert, aber Ihre Beschreibung der deutschen Auswanderergruppen auf Mallorca ist treffend und realitätsnah. Welchen Bezug haben Sie zur Insel?

Natürlich überspitze ich in meinem Buch etwas, es ist eben ein Unterhaltungsroman. Seit 18 Jahren habe ich ein kleines Häuschen im Osten der Insel und bin oft dort. Ich liebe Mallorca, vor allem wegen seiner Vielfalt. Wenn ich ganz auswandern würde, würde ich mich aber für Palma entscheiden, nicht für etwas so Abgelegenes.

Protagonistin Monika ist eine naive, „pflegeleichte“ Frau, die mehr nach Bequemlichkeit strebt als nach wahrem Glück oder Selbstbestimmung. Trifft das für viele Mallorca-Auswanderinnen zu? Haben Sie so einen Typ Mensch auf der Insel kennengelernt?

Ja, ich habe solche Frauen kennengelernt, und man kann ihnen eine gewisse Naivität unterstellen. Aber tief in uns drin haben wir ja alle den Wunsch danach, dass alles so einfach ist, dass uns einfach jemand toll findet. Geld oder Sorglosigkeit sind immer auch eine gewisse Verlockung. Es gibt deutsche Frauen auf Mallorca, die in einer Art goldenem Käfig leben. Deren größte Sorge es wirklich ist, ob sie abends einen Tisch in einem Restaurant bekommen. Die sich um ihre Nägel kümmern, Golf spielen, Personal Trainerinnen haben. Aber das ist eben nur eine kleine Gruppe der Auswanderer auf Mallorca. Es gibt auch die, die im Dienstleistungssektor tätig sind und hart ranklotzen. Das Feld ist sehr groß, auswandern kann viel bedeuten. Insofern versuche ich, diese Bandbreite abzubilden. Man kann auf der Insel ganz schnell irgendwo hinabrutschen, wo man gar nicht hinwollte.

Warum kommt im Buch kein Spanier vor?

Weil es oft wenig Schnittstellen mit den Deutschen gibt. Gerade in der Upperclass mischt es sich ganz selten. Ich habe erlebt, dass die Deutschen schon sehr oft unter sich bleiben. Was man ihnen aber auch gar nicht so zum Vorwurf machen kann, denn die Mallorquiner zu erobern, ist auch nicht einfach. Kontakt zu Mallorquinern zu bekommen und dann möglichst auch noch Mallorquinisch zu sprechen, ist schon eine gewisse Herausforderung. Andererseits wundert es mich sehr, dass jemand Jahrzehnte auf einer Insel im Ausland leben kann, und dann nicht einmal seine Paella auf Spanisch bestellen kann. Das ist eine Form von Überheblichkeit.

Sprechen Sie Spanisch?

Spanisch ja, da komme ich ganz gut zurecht und nehme auch fleißig weiter Unterricht. Aber es ist trotzdem nicht leicht, in Kontakt mit Spaniern zu kommen. Und die Festlandspanier, die hier Häuser haben, sind ja bei den Mallorquinern auch nicht sonderlich beliebt, noch weniger als die Deutschen. Das ist schon eine seltsame Gemengelage. Und diese Blasen, in denen die Deutschen immer für sich sind, bilden sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Ich kenne eine Frau, die organisiert Hausbetreuung, arbeitet hart, und auch deren Umfeld ist zu 90 Prozent deutsch, obwohl sie gut Spanisch spricht. Im Ausland ist man eben eher bereit, auch mit Leuten etwas zu tun zu haben, zu denen die einzige Verbindung die gemeinsame Sprache ist.

Hätte die Handlung des Buches so auch anderswo funktioniert, beispielsweise auf Sylt?

Letztlich würde es überall funktionieren, wo es so extreme Blasen oder Parallelgesellschaften gibt. Auch auf Sylt, ja. Auch dort können sich viele Einheimische die Wohnungen nicht mehr leisten, und Leute, die von außerhalb kommen, kaufen alles auf. Wie auf Mallorca.

Im Buch kommt eine andere Auswanderin vor, Sandra, die in die Obdachlosigkeit abrutscht, nachdem ihr Traum vom Restaurant am Ballermann platzt. Haben Sie so krasse Armut unter Mallorca-Deutschen erlebt?

Ganz so nicht, aber ich erlebe schon, dass es Menschen gibt, die einer Arbeit nachgehen, aber keine Krankenversicherung haben. Das hat mich wirklich extrem verstört. Es existiert eine gewisse Sorglosigkeit oder auch Naivität unter Auswanderern, die denken „Ich gehe dahin, da ist schöne Sonne, da arbeite ich“ und die nicht wissen, dass man weniger verdient, dass es weniger Sozialleistungen gibt und dass man auch dort für die Rente sorgen muss.

Ein anderes großes Thema im Buch ist das Selbstverständnis von Frauen – wie in vielen Ihrer Bücher. Warum?

Ich beobachte zunehmend bei jüngeren Frauen, dass diese sich vermehrt auf einen Mann verlassen, anstatt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie denken „Mit dem habe ich ausgesorgt“ oder „Der macht das schon“. Aber das ist gefährlich. Ich glaube, so etwas kann man auch in unterhaltsamen Romanen vermitteln.

Ist das nicht ein altes Thema?

Nein. Bei Instagram und Co. findet man immer mehr unter dem Hashtag „Trad Wives“. Also diese traditionellen Ehefrauen, die nach dem Motto leben „Ich mache meinem Mann ein schönes Frühstück, ich mache mich für ihn hübsch, und er sorgt für mich“. Dieses Phänomen, ein bisschen wie in den 50er-Jahren, greift wieder um sich, und man muss allen Frauen einfach sagen: Die Scheidungsgesetze haben sich geändert. Früher war man einmal Zahnarztgattin, immer Zahnarztgattin, aber das ist vorbei. Sich darauf zu verlassen, dass da jemand ist, der einem das Leben finanziert und für mein Glück verantwortlich ist, das ist heikel, das sollte man nicht tun.

Auch Körperlichkeit und Streben nach Schönheit kommen in Ihren Büchern immer wieder vor. Ist das für Sie selbst auch ein Thema?

Mein Glück ist, dass ich nie so schön war, dass das meine alleinige Währung war (lacht). Natürlich hadere ich auch mit Pfunden, aber es ist nicht mein Hauptthema. Doch leider ist Schönheit in unserer Gesellschaft immer noch eine Währung, die nicht an Wertigkeit verliert, ganz im Gegenteil. Wenn man sich heute 25-Jährige ansieht, sehen die noch mal anders aus, als wir mit 25 Jahren ausgesehen haben. Die investieren in Wimpern, in Augenbrauen – alle haben gemachte Fingernägel. Das kostet alles wahnsinnig viel Geld und hält sie auch in der Zeit davon ab, irgend etwas anderes zu machen, das vielleicht als Investition sinnvoller wäre. In der Zeit könnte man ja auch eine Fremdsprache lernen oder so.

In „Geparkt“ wird auch zweimal die Mallorca Zeitung erwähnt. Dienen wir Ihnen als Recherche-Quelle?

Ja. Ich lese schon immer gerne die Mallorca Zeitung, um darüber informiert zu sein, was auf der Insel so stattfindet.

Planen Sie Lesungen auf der Insel?

Nein. Ich bin auf Mallorca bewusst nie öffentlich aufgetreten. Aber einen weiteren Mallorca-Roman zu schreiben, das könnte ich mir schon vorstellen.

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