Wie das Meer vor Mallorca einen deutschen und einen britischen Künstler inspiriert hat

Seit jeher ist das Mittelmeer ein Quell der Inspiration. Die davon ausgehende Kunst kann dabei die verschiedensten Formen annehmen, wie zwei sehenswerte aktuelle Ausstellungen in Palma belegen

Maritim, aber ohne Seemannsromantik: „Poço do Bispo“, Lissabon, 2012.

Maritim, aber ohne Seemannsromantik: „Poço do Bispo“, Lissabon, 2012. / KUCKEI + KUCKEI

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

GERHARD WINKLER: „THIS IS THE SEA“

Am Tag vor der Vernissage in Santa Catalina zog es Gerhard Winkler in die nur einen Katzensprung entfernte Markthalle. Auf Portugiesisch versuchte der deutsche Fotograf, Bildhauer und Schriftsteller, die mallorquinischen Fischhändler höchstpersönlich zur Eröffnung seiner Ausstellung in der Galerie Kuckei + Kuckei einzuladen. Und auch wenn nicht alle Marktleute sofort angebissen haben mögen: Dass ihm der Versuch wohl ein inneres Bedürfnis war, leuchtet sofort ein, wenn man einen seiner bevorzugten Bildgegenstände kennt: frische Fische.

Ein Streifzug durch die Markthalle von Lissabon brachte den 1962 geborenen Künstler, der unter anderem dort und in Marseille studiert hatte, einst auf den Geschmack. Winkler fertigte vor Ort Schwarz-Weiß-Fotografien der Tiere an, die er anschließend mit Eiweißlasurfarben handkolorierte. Das Ergebnis sind Werke, die etwas von Darstellungen aus den frühen Naturwisschenschaften, von radikal reduzierten Stillleben und auch etwas von Porträts haben. Sie sind von tiefem Respekt für die Schönheit und Individualität der Fischarten geprägt.

„Fabre Vert“, 2017. Winklers Werke führen uns die Anmut der Fische vor Augen.  | F.: KUCKEI + KUCKEI

„Fabre Vert“, 2017. Winklers Werke führen uns die Anmut der Fische vor Augen. / KUCKEI + KUCKEI

Eine Auswahl aus dieser Werkreihe hängt nun prominent im Eingangsbereich der Galerie, sodass sie sicher einige Besucher ködern wird, einzutreten und weitere Arbeiten zu entdecken. Denn nicht nur die Märkte, sondern auch die Küstenstädte, Schiffe, Häfen, Strände und das Meer an sich sind bedeutende Themen bei Winkler – maritime Motive, frei von Kitsch, stets festgehalten in dieser Geduld und Akribie erfordernden Technik zwischen Fotografie und Malerei.

Während bei manchen Werken erst auf den zweiten Blick deutlich wird, dass es sich hier nicht um eine Farbaufnahme mit der Kamera handelt, scheinen zwei Bilder von Galicien mit einem imposanten Wolkenhimmel über dem Meer dem Gemälde sogar noch näher zu stehen als der Fotografie. Ein großformatiges Bild der wilden portugiesischen Steilküste lässt Sehnsucht nach der Ferne aufkommen, die minimalistischen „Acht vergessenen Sardinen“ auf dem Rost indes die Lust auf geselliges Grillen am Strand. Wer die Kulinarik in Bezug auf Meeresbewohner schätzt, wird sich besonders an der Serie „Pour la soupe“ erfreuen: Hier porträtierte Winkler alle Fischarten, die in eine klassische Bouillabaisse gehören.

Kunst für Fischliebhaber: Galerie Kuckei + Kuckei (Showroom Palma), Carrer de Pou, 33, geöffnet Mittwoch und Freitag von 11 bis 15 Uhr, Infos und Kontakt unter: kuckei-kuckei.de

DANNY ROLPH: „MARENOSTRUM“

Auf einer völlig anderen Welle als Winkler schwimmt der 1967 geborene Londoner Künstler Danny Rolph. Doch auch er hat eine tiefe Beziehung zum Meer, wie der Brite beim MZ-Besuch am Tag der Vernissage in der Kaplan Gallery erzählt. Der erste Ort außerhalb Großbritanniens, den Rolph als Kind besuchte, war Pollença. Seitdem führten ihn Reisen und Stipendien immer wieder an verschiedene Orte rund um das Mittelmeer und insbesondere nach Rom. Die Stadt, wo er 1998 einige Zeit an der British School at Rome verbrachte, sollte Rolph künstlerisch prägen und intellektuell stimulieren wie keine andere, sagt er.

So lieferten die Römer nun auch folgerichtig den Titel für seine Ausstellung in Palma: „Mare Nostrum“, unser Meer. Den Briten fasziniert diese gemeinsame Wiege der Europäer mit ihren Häfen, die im Laufe der Jahrhunderte so viele Zivilisationen kommen und wieder verschwinden sahen. Er selbst schöpfte nun für eine erst vor wenigen Jahren begonnene Werkreihe aus seiner eigenen Vergangenheit, den persönlichen Erinnerungen: „Manche Bilder liegen bereits 20 Jahre zurück, andere sind aus dem Kreta-Urlaub vergangenes Jahr“, so der jung gebliebene Künstler.

Eine nächtliche Strandszene auf der griechischen Insel mit strahlend hellem Mondlicht und dem Spiel der Schatten inspirierte Rolph zu einem der Gemälde. Dem Gros der Bilder liegt jedoch die Erinnerung an verschiedene Häfen und Küstenorte des Mittelmeers zugrunde, die Rolph im Laufe seines Lebens kennenlernen durfte. Die lokale Topografie und im Gedächtnis verankerte Details der Erlebnisse fügen sich auf der Leinwand in kraftvollen Farben zu neuen Kompositionen zusammen.

Ganz frisch aus dem Meer

Dieses Bild entstand in Gedanken an Sóller. / KAPLAN GALLERY

Solche Details sind etwa das Regenbogen-Sonnensegel über einem Geschäft an der Hafenpromenade von Kos oder ein leuchtend gelbes Segel eines großen Bootes. „Monate oder Jahre später beginnen diese Dinge, sich im Atelier zu materialisieren“, erklärt Rolph. „Diese Bilder sind keine visuellen Übungen, sondern Standortwechsel für Erinnerungen.

Sóller begeistert

Eine dieser künstlerischen Transformationen nahm der Brite auch mit einem Ort auf Mallorca vor: Er kam vor einigen Jahren zum ersten Mal nach Sóller, wo er eine Auftragsarbeit für einen Sammler anfertigte. Die Architektur des Ortes, das Licht in den Gassen und auf dem Weg zum Hafen, wieder einmal ein Sonnensegel – diesmal in Pink –, all das brannte sich ein. Die Impressionen ergeben im Bild ein abstraktes Amalgam. Dabei seien die Farben stets eine Art von Echo der Erlebnisse und Situationen, sagt Rolph. Eine Erklärung dafür, warum das Blau des Meeres in den Kompositionen relativ spärlich zum Einsatz kam.

So interessant die Hintergründe zur Entstehung auch sein mögen: Der Künstler betont, dass man all die konkreten Inspirationen für seine Bilder gar nicht kennen müsse. Denn es geht ihm nicht um die Geschichte, sondern um das Bild: „Ich möchte die Betrachter dazu anregen, zu fühlen und ein wenig anders zu denken“, sagt Rolph. Emotional eindrucksvoll verspricht auch das Folgeprojekt auf Mallorca zu werden: Am 13. Juli startet die Solo-Schau „Tercet“ mit einer großen Installation im Convent de Santa Domingo in Pollença – an dem Ort, wo der Brite die Liebe zum Meer entdeckte.

Transformierte Erinnerungen: Kaplan Gallery, Carrer Mateu Obrador, 8, Palma, Besuch mit Termin, Infos unter: kaplanprojects.com, Künstler-Website: dannyrolph.com