Meinung
Warum so viel Hass auf den Tourismus, Frau Ministerpräsidentin?
Eine linke Aktivistengruppe protestierte vor vielen Jahren am Hafen von Palma. Ihre Botschaften von damals sind in der Gegenwart erstaunlich präsent, meint MZ-Redakteur Patrick Schirmer Sastre
Erinnern Sie sich an das Jahr 2017? Der Tourismus boomte auf der Insel, Rekorde wurden gebrochen – und doch schienen einige unerfreuliche Gestalten damit nicht zufrieden zu sein. "Tourism kills Mallorca" stand auf zahlreichen Stickern in der Altstadt von Palma. Am Hafen gab es gar eine kleine Protestaktion, bei der linke Aktivisten am Hafen von Palma Konfetti warfen, Bengalos anzündeten und ein Plakat hochhielten. Es wurde niemand verletzt, die Sachschäden konnten mit einem Besen behoben werden. Trotzdem mussten zahlreiche der Teilnehmer vor Gericht – der Staatsanwalt forderte jahrelange Haftstrafen. Es stand gar der Vorwurf des Terrorismus im Raum.
Die konservativen Meinungsmacher – allen voran die damalige PP-Fraktionssprecherin Marga Prohens – zeigten sich entrüstet. In ihren Augen spülte eine Welle der Tourismusphobie über die Insel und drohte den wichtigsten Wirtschaftszweig zu ertränken.
Haltlose Forderungen der Aktivisten
Anders klangen indes die Aktivisten selbst. Nach ihren Motiven gefragt, erklärten sie damals in einem Kommuniqué, man sei weder gegen die Urlauber noch gegen den Tourismus an sich. "Wir sind auch Touristen und wir wissen, dass es sehr bereichernd sein kann." Das Problem sei, dass die Einkünfte des Wirtschaftszweiges in die Taschen weniger Akteure wanderte. Die Mieten würden steigen, Menschen würden aus ihren Vierteln vertrieben.
Es sei dringend eine gesellschaftliche Debatte notwendig, um ein nachhaltigeres Modell zu schaffen, sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht. Die Arbeitsbedingungen müssten im Tourismus verbessert werden. Auch sollten in den Augen der Aktivisten die Mietpreise gedeckelt werden und der soziale Wohnungsbau vorangetrieben werden. „Es geht um die Kontrolle und Regulierung einer Branche, die nicht verschwinden wird", so die Sprecher der Formation.
Für die Konservativen klangen diese Aussagen wie Teufelsanbetung in der Sakristei. Im darauffolgenden Jahr starteten sie – angesichts weiterer tourismusfeindlicher Ausfälle– eine Plakatkampagne: "We love tourism". Auch hier war Prohens vorne mit dabei, wenn es darum ging, auf Fotos zu erscheinen.
Die neue Marga Prohens
Die Marga Prohens von damals würde sich für ihr heutiges Ich schämen. Diese neue Marga Prohens, die ein Notfallgesetz gegen Wohnungsnot erlässt. Diese neue Marga Prohens, die davon spricht, dass der Tourismus ein "Limit" erreicht hat. Diese Prohens, die erklärt, "dass man nicht weiter wachsen kann". Die nicht von einem kompletten Wechsel des Wirtschaftsmodells sprechen will, "denn das Modell ist das, was es ist." Aber es brauche einen Wandel.
Es ist schon bitter: Wo ist diese furchtlose Politikerin hin, die stolz das Schildchen mit der Aufschrift "We love Tourism" in die Kamera hielt? Warum stimmt die jetzt mit in den Kanon der touristenhassenden Aktivisten aus dem Hafen ein?
Es klingt absurd, aber fast scheint es, als hätte man vielleicht etwas vorher ändern können, wenn man damals auf diese linken Terroristen gehört hätte. Aber das wäre auch zu albern gewesen.
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