Kita-Plätze auf Mallorca: Der Mangel wird wohl anhalten

Die kostenlose Kernbetreuungszeit in Kitas auf Mallorca führt weiter zu Problemen. Auch im neuen Schuljahr könnte es an Hort-Plätzen fehlen. Die Landesregierung kämpft dagegen an

Für ältere Kleinkinder dürfte es in den meisten Gemeinden auf Mallorca genug Plätze geben. Eng wird es bei den Babys

Für ältere Kleinkinder dürfte es in den meisten Gemeinden auf Mallorca genug Plätze geben. Eng wird es bei den Babys / EFE

Sophie Mono

Sophie Mono

Seit September 2023 können Eltern ihre Kleinkinder vier Stunden pro Tag kostenlos in Kitas auf Mallorca und den Nachbarinseln betreuen lassen. Doch die von der Landesregierung getroffene Entscheidung zieht noch immer einen ganzen Rattenschwanz an Problemen mit sich. Denn Gratis-Betreuung sorgt für mehr Nachfrage – und die kann vielerorts nicht gedeckt werden. Nachdem bereits in den vergangenen Monaten aus mehreren Inselgemeinden Hilferufe von Eltern zu hören waren, die keine Kita-Plätze mehr ergattern konnten, zeichnet sich nun ab, dass die öffentlichen Einrichtungen auch im kommenden Schuljahr – also ab September 2024 – vielerorts nicht genügend neue Plätze anbieten werden.

Vor allem bei den Jüngsten, also Jahrgang 2024, ist die Nachfrage größer als das Angebot. Denn hier ist der Betreuungsschlüssel am höchsten, auch die Anforderungen für altersgerechte Räumlichkeiten sind streng. Genaue Zahlen darüber, wie viele Familien leer ausgehen, will man im balearischen Bildungsministerium auf MZ-Anfrage noch nicht preisgeben, schließlich sei man „noch dabei, Lösungen zu finden“. Ziel ist es, ab September insgesamt knapp 12.000 Plätze für die Null- bis Dreijährigen anbieten zu können.

Bau neuer Kitas

Um möglichst viele Kinder unterzukriegen, verfolge man mehrere Ansätze, so die Ansage im Ministerium. Zum einen versuche man, die Gemeinden mit finanziellen Hilfen dazu zu bewegen, neue Kitas zu errichten. Immerhin haben die Balearen von der EU Fördergelder in Höhe von 24,6 Millionen Euro erhalten, die dazu bestimmt sind, bis zum Jahr 2025 knapp 2.100 neue öffentliche Kitaplätze zu schaffen. Bisher sind aber nur 23 Prozent (gut 5,8 Millionen Euro) davon ausgegeben worden. Immerhin: Vier neue öffentliche Kindertagesstätten dürften ab September zur Verfügung stehen, also insgesamt 115 statt wie bisher 111 öffentliche Einrichtungen.

Weitere rund 17,7 Millionen Euro der EU-Gelder seien zudem „für weitere Baumaßnahmen verplant, die noch nicht angelaufen sind“, heißt es aus dem Ministerium. Manche öffentliche Einrichtungen erweiterten beispielsweise ihre Räumlichkeiten durch Umbauten. Für die gut eine Million Euro aus Brüssel, die dann immer noch übrig bleibt, gebe es noch keine konkrete Verwendung. „Es ist aber nicht geplant, Geld ungenutzt an die EU zurückzugeben“, so eine Ministeriumssprecherin optimistisch.

Dass viele Gemeinden sich trotz der Bezuschussung dagegen sträuben, neue Horte zu bauen, dürfte am Selbstkostenanteil der Arbeiten liegen. Und daran, dass es mit dem Bau nicht getan ist. Auch die künftige Instandhaltung und Unterhaltung der Kitas obliegt größtenteils den Rathäusern – Gelder, die viele Gemeindekassen schlicht überfordern.

Mehr halbstaatliche Horte

Einen anderen Weg, über den die Landesregierung es doch noch schaffen will, mehr Gratis-Plätze anzubieten, ist die Umwandlung privater Kitas in halbstaatliche. Zur Erinnerung: Die Gratis-Betreuung gilt für die öffentlichen Kitas (escoletes), die den Richtlinien der Landesregierung unterliegen, aber meist von den jeweiligen Gemeinden gebaut und gemanagt werden. Aber auch in einigen halbstaatlichen Einrichtungen, die einem vom Inselrat geführten Zusammenschluss (der Xarxa Complementaria) angehören, ist die Betreuung seit vergangenem September kostenlos. Gebühren zahlen müssen die Familien dagegen weiterhin in freien Privat-Kitas (guarderias). Dort sind die Auflagen oft weniger streng, die Kosten für die Eltern aber meist hoch.

Tatsächlich ist es bereits gelungen, mehr private Einrichtungen in den öffentlichen Verbund aufzunehmen. Die Zahl der Halbstaatlichen stieg im Vergleich zum Vorjahr von 65 auf 99, weitere Umwandlungen sind in Planung. Der Anteil halbstaatlicher Kitaplätze am Gesamtangebot dürfte damit bald bei rund 40 Prozent liegen.

Doch nicht alle Experten im Bildungssektor sehen diese Entwicklung positiv. Die Bildungsgewerkschaft STEI beispielsweise warnt vor einer „verdeckten Privatisierung“ der Branche. Der ehemalige Leiter des Instituts für frühkindliche Erziehung, Vicenç Arnaiz, betont, dass es wichtig sei, dass trotzdem die Ansprüche an das Personal und die Betreuungsschlüssel eingehalten werden. Auch geben Kritiker zu bedenken, dass in nicht-öffentlichen Einrichtungen oft viele Zusatzkosten anfallen (für längere Betreuungszeiten, Frühstück oder Mittagessen), die in öffentlichen Einrichtungen oft von den Rathäusern bezuschusst oder übernommen würden. Wenn die anfallenden Kosten doch auf die Familien zurückfielen, bestehe wieder die Gefahr, dass sozial Schwächere vom Angebot ausgeschlossen würden – genau das, was man durch die Gratis-Reform verhindern wollte.

Zu viel Bürokratie

Derweil gibt es auch Ärger mit den künftig halbstaatlichen Kitas: Anfang Mai wurden Klagen mehrerer Einrichtungen darüber laut, dass die bürokratischen Mühlen zu langsam mahlten. Die Umschreibung sei kompliziert, in vielen Fällen sei nicht sicher, ob sie tatsächlich ab September die Kernbetreuungszeit kostenlos anbieten könnten. Vor allem der Inselrat sei mehreren Absprachen nicht nachgekommen, man hänge bezüglich der Kooperation im kommenden Schuljahr in der Luft, so die Kritik einiger Privat-Kitas.

Auf MZ-Anfrage äußerte sich der Verband kleiner und mittelständischer Unternehmen, Pimem, dem ebenfalls einige private Kinder-tagesstätten angehören, Anfang Juni eher optimistisch. „Finanzielle Hilfen der öffentlichen Verwaltung für die Umschreibung der Einrichtungen sehen wir als gute Maßnahme an.“ So könnten gezielt dort mehr Plätze geschaffen werden, wo sie am meisten benötigt würden. „Und kostenlose Betreuung ist wichtig, um die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit zu fördern“, so eine Pimem-Sprecherin.

Auf Schätzungen darüber, wie viele Familien letztlich keinen Gratis-Platz abbekommen, will sich der Unternehmerverband nicht einlassen. Es bleibt also spannend.

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