Deutscher Urlauber auf Mallorca ertrinkt bei Bootsausflug - hätte das verhindert werden können?

Ein Arzt, der Erste Hilfe leistete, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Anbieter des Ausflugs. Die Polizei ermittelt

Auf diesem Katamaran passierte das Unglück.

Auf diesem Katamaran passierte das Unglück. / Privat

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Es sollte eine Auszeit von den vielen Untersuchungen und Operationen werden. Ein deutscher Mallorca-Urlauber aus Zossen im Süden von Berlin wollte abschalten und bei einem Ausflug auf einem Katamaran auf andere Gedanken kommen. Der Ausflug endete für ihn tödlich. "Es war eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände", berichtet ein deutscher Arzt, der an Deck Erste Hilfe leistete. "Unter den Bedingungen war der Ausgang vorhersehbar. Wir hatten keine Chance." Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Crew und den Anbieter der Tour, die jegliche Mitschuld abstreiten. Der Bruder des Opfers sucht jetzt nach Antworten.

Der 58-Jährige ertrank, während die anderen 168 Gäste an Bord davon offenbar nichts mitbekamen. Zu dem Unglück kam es bereits am 8. Juni. Das deutsche Konsulat in Palma bestätigte der MZ den Todesfall. Der Urlauber besuchte mit seiner Frau seinen Bruder, der in Inca lebt. "Er war an einem Gehirntumor erkrankt und wollte sich von den ganzen OPs erholen", berichtet der Bruder der MZ. Er selbst brachte das Paar nach Alcúdia, wo der Ausflug mit dem Katamaran startete, ging aber nicht mit an Bord.

Die Lage an Deck war bei den vielen Gästen an Bord unübersichtlich. "Nach dem Mittagessen hielt sich seine Frau auf der anderen Seite des Bootes auf. Sie wurde erst durch das Geschrei auf das Geschehen aufmerksam. Wenig später merkte sie, dass ihr Mann reanimiert wird", so der Bruder.

Kapitän sah den Mann im Wasser treiben

Was zuvor geschah, ist unklar. Das Boot pausierte für das Mittagessen in der Bucht von Pollença. Wer wollte, durfte ins Wasser springen. Der Kapitän soll laut dem Arzt, der Erste Hilfe leistete, gedacht haben, der Deutsche würde schnorcheln und hätte minutenlang nicht reagiert.

"Wir hätten so viel machen können, wenn wir das richtige Material gehabt hätten", sagt der Arzt. "Doch weder De­fi­b­ril­la­tor noch Beatmungsbeutel waren an Bord. Der Erste-Hilfe-Kasten war unvollständig." Weder der Kapitän noch die Crew hätten ihre Hilfe angeboten. "Wir mussten sie anbrüllen, dass sie doch bitte Land ansteuern."

Das sagt das Bootsunternehmen zu dem Vorfall

Für den Ausflug zeichnete das Unternehmen Transportes Maritimos Brisa verantwortlich. Dessen Chef Miguel Sendin Rebassa stellt das Geschehen anders da. "Der Kapitän hatte bei dem Badestopp alle Personen im Wasser im Blick. Als er gesehen hat, dass ein Mann mit dem Gesicht nach unten im Meer trieb, ist er sofort mit einem anderen Crewmitglied ins Wasser gesprungen und hat ihn rausgeholt", sagt Rebassa.

Auch der Kapitän bestätigt das gegenüber der MZ: "Ich war der Erste, der ihn im Wasser treiben sah." Er vermutet einen Kälteschock, der durch den Sprung ins kühle Meer ausgelöst wurde, in Verbindung mit dem reichhaltigen Mittagessen zuvor. "Es gab Nudelsalat, Hühnchen, Schweinesteaks und Brot. Der Mann und seine Frau hatten auch Alkohol getrunken."

Defibrillator von einer anderen Yacht ausgeliehen

Es sei die Pflicht des Kapitäns, Erste Hilfe zu leisten, sagt Rebassa. "Dafür belegt er auch jedes Jahr einen Kurs. Er wird nur von der Pflicht entbunden, wenn Ärzte unter den Passagieren sind. In dem Fall waren fünf oder sechs an Bord, die sich als solche auswiesen." Der Deutsche habe an Deck noch geatmet und gelebt. "Wir hatten das Glück, dass sich in der Nähe eine Yacht mit einem weiteren Arzt befand, der einen Defibrillator dabei hatte."

Auch der Erste Hilfe-Kasten auf dem Schiff sei vollständig gewesen. "Jedes Jahr zum Saisonstart wird das von der Behörde kontrolliert. Wir erfüllen die Regeln, die uns das spanische Seefahrtrecht vorschreibt. Von jedem Medikament und Hilfsmittel waren drei Stück vorrätig." Die letzte Kontrolle sei im Mai gewesen (das gültige Zertifikat liegt der MZ vor), seitdem sei der Erste-Hilfe-Kasten nicht mehr angerührt worden. Der Tod sei erst im Krankenwagen eingetreten. "Andernfalls hätte die Polizei das Schiff für Ermittlungen abgesperrt und aus dem Verkehr gezogen", so Rebassa.

Dem wiederrum widerspricht der deutsche Arzt. "Er hat zu keiner Zeit geatmet. Schon als er aus dem Wasser kam, waren Ansätze von Leichenflecken erkennbar. Es machte auf mich den Anschein, als sollte vertuscht werden, dass der Urlauber auf dem Boot gestorben. Keine fünf Minuten, nachdem der Mann vom Schiff geholt wurde, wurde die Reanimation eingestellt und er für tot erklärt."

Nach dem ganzen Trubel sei eine Mitarbeiterin der Bootsfirma auf ihn zugekommen und hätte sich für die Umstände entschuldigt und habe ihn versichert, künftig besser ausgerüstet zu sein. Auch sie beteuerte, dass die Firma sich an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten habe.

Jetzt ermittelt die Guardia Civil

Die Guardia Civil ermittelt in dem Fall, bestätigte eine Sprecherin der MZ. Wie es zu dem Ertrinken kam, ist unklar. Der 58-Jährige hatte nach Aussage der Frau vier Mojitos getrunken. Im Autopsiebericht ist lediglich von Ertrinken die Rede, das zu einem Kreislaufzusammenbruch und schließlich einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führte. Es wird als Unfall klassifiziert. "Wir rätseln die ganze Zeit, was passiert sein könnte. Haben Herz oder Gehirn ausgesetzt? Welche Rolle spielten Alkohol und die Hitze an dem Tag?", sagt der Bruder, der Anwälte kontaktiert hat und über rechtliche Schritte gegen die Bootsfirma nachdenkt.

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