Wahlen in Katalonien am Sonntag (12.5.): Kandidaten, Aussichten, Bedeutung

Der Umgang mit den Separatisten erhitzt Spaniens Gemüter. Die Regionalwahlen an diesem Sonntag (12.5.) zeigen, wer davon profitiert

Spanien-Premier Pedro Sánchez (li.) und der Favorit von der PSC, Salvador Illa.  | FOTO: EUROPAPRESS

Spanien-Premier Pedro Sánchez (li.) und der Favorit von der PSC, Salvador Illa. | FOTO: EUROPAPRESS / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Bei den vielen Wahlen in Spanien in diesem Jahr ist es nicht leicht, die besondere Bedeutung des Urnengangs in Katalonien am Sonntag (12.5.) hervorzuheben. Doch es geht um mehr als nur die künftige Regierung in Barcelona. Das Ergebnis wird unweigerlich als Quittung für den Annäherungskurs der spanischen Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez hin zu den Separatisten gewertet werden. Sollten die katalanischen Sozialisten (PSC) die Mehrheit der separatistischen Parteien brechen, könnte dies ein vorläufiges Ende des procés bedeuten. Der Begriff steht für die Unabhängigkeitsbestrebungen, die ihren Höhepunkt im illegalen Referendum 2017 hatten.

Salvador Illa, der Spitzenkandidat der PSC, geht als großer Favorit der Umfragen ins Rennen. Schon bei der Wahl 2021 wurden die Sozialisten stärkste Kraft mit 23 Prozent der Stimmen und 33 von 135 Sitzen im katalanischen Parlament. Das separatistische Lager kam jedoch zusammen auf eine Mehrheit und bildete die Regierung. Doch 2022 brach die bürgerliche Junts mit der Republikanischen Linken (ERC), weshalb Ministerpräsident Pere Aragonès vorgezogene Neuwahlen ausrief.

Andere Sorgen

Die Unabhängigkeitsdebatte ist wie immer ein Thema, aber mittlerweile haben die Katalanen laut den Meinungsforschern andere Sorgen, so etwa die Dürre, den Mangel an Wohnraum oder die Einwanderung. „Die Situation hat sich seit den letzten Wahlen stark verändert“, erklärte Illa bei einem Treffen mit dem Verein der Auslandspresse Círculo de Corresponsales Ende April. „Ich sehe Sorgen wegen der öffentlichen Versorgung. Wir haben ein Jahrzehnt lang Investitionen in die Infrastruktur versäumt, der öffentliche Dienst wurde schlecht verwaltet“, so der Kandidat.

Ein großes Thema ist die extreme Dürre in Katalonien, obwohl nach den jüngsten Regenfällen die Einschränkungen beim privaten Wasserverbrauch etwas gelockert wurden. Ministerpräsident Aragonès verspricht Lösungen mit dem jüngsten Investitionsplan. Auch die ERC stellt im Wahlkampf die alltäglichen Probleme vor das große Ziel der Abspaltung von Spanien, welches freilich nicht aufgegeben wird. Aragonès will in der neuen Legislaturperiode ein legales Referendum über die Unabhängigkeit aushandeln, doch die Linksregierung von Sánchez lehnt dies strikt ab. Auf einen Zeitplan will sich der ERC-Politiker daher nicht festlegen. „Mir ist wichtig, dass die Grundlagen für eine Volksbefragung gelegt werden“, sagte er gegenüber dem Círculo.

Die Rolle von Puigdemont

Für Junts und deren Spitzenkandidaten Carles Puigdemont geht es am Sonntag dagegen vorrangig um den Unabhängigkeitsprozess. Der frühere katalanische Premier, der sich nach dem Referendum von 2017 vor dem Zugriff der spanischen Justiz nach Belgien abgesetzt hatte, führt den Wahlkampf im katalanischen Teil Südfrankreichs. In Spanien droht ihm die Verhaftung, denn das umstrittene Amnestiegesetz für die Separatisten ist noch nicht in Kraft getreten. Sollte Puigdemont nach der Wahl an die Macht zurückkehren, wolle er zur seiner Amtseinführung nach Barcelona reisen, auch wenn er dann in Handschellen abgeführt werden könnte. Falls er nicht Ministerpräsident werden sollte, wolle er sich aus der Politik zurückziehen, erklärte Puigdemont. Das wäre eine Zäsur für die stark auf die Person bezogene Partei Junts und die Separatistenbewegung allgemein.

Das Rennen ist laut Umfragen offen. Die PSC von Illa kann auf 40 Sitze kommen und möglicherweise mit der ERC und den Linken von Comuns eine Mehrheit bilden. Junts liegt demnach mit 33 Sitzen vor der ERC mit 26. Beide bräuchten für eine Mehrheit wahrscheinlich auch noch die linksradikale, separatistische CUP, deren Unterstützung Puigdemont mit Rücksicht auf seine konservative Wählerschaft jedoch ausgeschlossen hat. Illa und andere Kandidaten stellten im Wahlkampf zudem die Frage, warum sich ERC und Junts zwei Jahre nach dem Bruch der Koalitionsregierung und wachsender Rivalität plötzlich wieder auf eine Zusammenarbeit einigen sollten.

Sollten die Sozialisten von Illa die Regierung stellen, könnte Sánchez dies als Erfolg für seine umstrittenen Maßnahmen zur Normalisierung der Lage in Katalonien verkaufen, allen voran die beschlossenen Begnadigungen der inhaftierten Separatistenführer und die Amnestie. Doch falls Puigdemont an die Macht zurückkehrt, würde der procés neuen Schwung bekommen.

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