Ende der Blockade nach fünf Jahren: So wird Spaniens Justiz erneuert

Volkspartei und Sozialisten haben sich - neben der jahrelang blockierten Erneuerung des Generalrats - unter Vermittlung der EU auf eine weitgehende Reform geeinigt

„Fast Freunde“: González Pons (li.) und Félix Bolaños mit EU-Vizepräsidentin Vera Jourová.  | FOTO: EU

„Fast Freunde“: González Pons (li.) und Félix Bolaños mit EU-Vizepräsidentin Vera Jourová. | FOTO: EU

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Trotz der zuletzt zunehmenden Härte und Polarisierung in der spanischen Politik sind die beiden großen Volksparteien doch noch in der Lage, sich in wesentlichen Fragen zu einigen. Nach einer rund fünfjährigen Blockade gelang am Dienstag (25.6.) der nicht unbedingt erwartete Durchbruch bei der Erneuerung des Generalrats der Rechtssprechenden Gewalt (Consejo General del Poder Judicial, CGPJ), dem obersten Verwaltungsorgan des spanischen Justizsystems. Die Sozialisten der PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez und die konservative Volkspartei (PP) verständigten sich darauf, jeweils zehn Mitglieder des CGPJ zu benennen.

Eigentlich hätte das Organ schon 2018 erneuert werden müssen. Doch nach Meinung der Sozialisten und vieler Beobachter verschleppte die PP mit ständig wechselnden Argumenten das Abkommen und hielt so eine konservative Mehrheit in dem Gremium bei. Der CGPJ ist zuständig für die Ernennung von Richtern in den oberen Instanzen wie den Provinzgerichten, interne Regelungen der Justiz einschließlich Disziplinarverfahren und benennt zwei Mitglieder des Verfassungsgerichts. Doch war das Organ zuletzt beinahe handlungsunfähig. So müssen die neuen Mitglieder, die im Juli das Amt antreten, nun Hunderte von Posten nachbesetzen.

Druck aus Brüssel

Traditionell wählen die Parteien gemäß ihres parlamentarischen Proporz die Mitglieder des Rates aus einer Liste renommierter Juristen. Doch nachdem Sánchez im Sommer 2018 die konservative Regierung von Mariano Rajoy durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt hatte, verhinderte die PP die Neubesetzung des CGPJ, für die eine Drei-Fünftel-Mehrheit notwendig ist.

In letzter Zeit nahm der Druck auf die Politik zu, auch in Brüssel sorgte man sich um den Zustand des spanischen Justizsystems. Die Europäische Kommission übernahm die Rolle eines Vermittlers, und das Abkommen wurde von den Unterhändlern von PSOE und PP am Dienstag in Brüssel unter den Augen der Vizepräsidentin der Kommission, Vera Jourová, unterzeichnet. Zuvor hatte Sánchez den Konservativen ein Ultimatum bis Ende Juni gesetzt. Er drohte mit einer Gesetzreform, um den CGPJ allein neu besetzen zu können, was zweifellos zu einem Konflikt mit Brüssel geführt hätte.

Die PSOE wird die Justiz nicht kontrollieren, die PP auch nicht. Aus meiner Sicht ist die Mission erfüllt“, erklärte Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo am Mittwoch (26.6.) bei der wöchentlichen Fragestunde im Parlament. In der Tat sieht der Kompromiss einen Schritt hin zu einer größeren Unabhängigkeit der Justizverwaltung vor. Sowohl PSOE wie auch PP beklagen regelmäßig deren Politisierung. Doch sind es die Parteien selbst, die ihnen nahestehende Juristen auf die Führungsposten heben, teilweise waren darunter sogar frühere Minister und Ministerinnen.

Der Sitz des spanischen Verfassungsgerichts, des Tribunal Constitucional, in Madrid.

Der Sitz des spanischen Verfassungsgerichts, des Tribunal Constitucional, in Madrid. / EFE

Was genau geplant ist

Laut dem Abkommen kann nun niemand Mitglied des CGPJ werden, der in den fünf Jahren zuvor ein politisches Amt bekleidet hat, sei es in der Zentralregierung, den Regionen oder den Rathäusern. Für wichtige Entscheidungen wie die Ernennung von Richtern ist im Rat nun eine qualifizierte Mehrheit von drei Fünfteln erforderlich. Auch der Generalstaatsanwalt (Fiscal General del Estado) darf zukünftig kein politisches Profil mehr haben. Sánchez hatte seine Justizministerin Dolores Delgado direkt auf diesen Posten gesetzt.

Der neue CGPJ wurde außerdem damit beauftragt, binnen sechs Monaten einen Vorschlag für eine umfangreiche Reform des Systems zur Ernennung seiner Mitglieder vorzulegen. Auch dafür ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Das Projekt wird dann im Parlament weiter diskutiert. Die Konservativen bestehen darauf, dass in Zukunft die Juristen selbst die Zusammensetzung ihres Verwaltungsorgans bestimmen, ohne Einmischung der Politik. Das ist seit jeher der umstrittene Punkt. Die Linken fürchten, dass der Berufsstand in Spanien traditionell eher konservativ ist, weshalb sie auf eine gewisse politische Kontrolle der Justizinstanzen bestehen.

Weitere Personalien anhängig

Premier Sánchez feierte den Durchbruch. „Hoffentlich ist dies das erste von vielen Abkommen“, sagte er im Parlament an die Adresse von Núñez Feijóo. Schließlich stehen noch weitere wichtige Personalien an, so an der Spitze der spanischen Notenbank, bei der Wettbewerbsaufsicht CNMC oder dem Staatsrundfunk RTVE, welche Sozialisten und Konservative in der Vergangenheit meist einvernehmlich beschlossen hatten.

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