"Unser Plan ist, vier oder fünf Marathon-Veranstaltungen in Europa zu sponsern": Tui-CEO Sebastian Ebel zur neuen Strategie

Der Reiseveranstalter steigt in diesem Jahr zum 20. Jubiläum des Marathons in Palma wieder als Hauptsponsor ein. Wie es dazu kam, was Tui noch in Sachen Sport plant und wie man in Urlaubsdestinationen mit angespannter Wohnsituation Abhilfe schaffen will

Sebastian Ebel beim Interview mit der MZ.

Sebastian Ebel beim Interview mit der MZ. / Clara Margais/dpa

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Der Palma Marathon wird wieder zum Tui Marathon. Zum 20. Geburtstag ist Tui wieder Hauptsponsor. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Es gibt verschiedene Gründe. Es ist ein ikonischer Event, der aufgrund unserer Geschichte und unserer Präsenz auf Mallorca für uns sehr gut passt. Auch strategisch, weil wir stärker die Themen Hotel und Sport miteinander verknüpfen. Und es ist ein Event für die Mitarbeiter und Teambuilding. Unser Plan ist, vier oder fünf Marathon-Veranstaltungen in Europa zu sponsern. Das wird sicher dieses Jahr noch nichts, aber in den kommenden zwei, drei Jahren. Das soll eine Art Tui Marathon-Circle werden, zu Saisonbeginn und Saisonende. Auf Mallorca wäre es sogar noch besser, der Marathon wäre noch zwei Wochen später. Es ist was für die Mitarbeitermotivation, aber auch um neue, sport-affine Gäste zu gewinnnen. In Zukunft wollen wir weitere Trendsportarten mit in unser Portfolio aufnehmen, die wir sehr eng an Hotel und Urlaubsdestination anbinden wollen.

Sind Sie selbst schon mitgelaufen?

Ich habe den Marathon von Beginn an miterlebt und bin einmal bis zur absoluten Erschöpfung mitgelaufen. Da kam ich quasi auf allen Vieren ins Ziel. Ich hatte mich anonym angemeldet und erwartet, dass mich niemand erkennt. Als ich dann ins Flugzeug stieg, haben mich doch einige Kollegen angesprochen. Das war damals die Route, die vom Stadion zum Meer und wieder hoch zum Stadion führte, und nach der Hälfte der Strecke war ich platt. Nach fünf Stunden kam ich dann irgendwann an, und dann sagte mir ein etwa 80-Jähriger im Ziel: Sie sind aber ganz schön außer Atem. Er war es nicht und meinte nur, es sei seine Vorbereitung für den New York-Marathon in der übernächsten Woche.

Hatte die Tui schon länger den Plan, wieder in den Marathon auf Mallorca einzusteigen?

Tui hatte 2013 eine große Restrukturierung zu stemmen. Da haben wir alle Sponsoringaktivitäten beendet. Aber den Marathon haben wir nie aus dem Blick verloren, da blieb immer große Sympathie. Heute passt es gut in den Kontext, es ist wirtschaftlich gut vertretbar. Damals war Tui auch noch keine internationale Marke, sondern es gab die Tui nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Inzwischen heißen wir weltweit Tui, also ist die Sinnhaftigkeit der Investition heute eine ganz andere.

"Wir wollen nicht als dominantes Großunternehmen auftreten"

Können Sie Zahlen nennen, was so ein Marathon auf Mallorca kostet?

Es ist ein vertretbarer Aufwand und er ist den Mitarbeitern vermittelbar. Und wenn man den Verkauf von Reisepaketen für das Wochenende mit einberechnet, ist es auch wirtschaftlich sinnvoll. Früher waren wir ja Hauptsponsor und Organisator. Jetzt organisieren wir den Marathon nicht mehr, das macht Kumulus. Das sind die Profis auf dem Gebiet. Es liegt auch in unserem Interesse, einen lokalen Organisator zu haben. Wir wollen nicht als dominantes Großunternehmen auftreten. Wir haben das wirklich langfristig vor, und wenn wir in Europa vier, fünf Marathons sponsern, muss das über viele Jahre gehen.

Der Tui-Marathon war immer eine große Nummer in den ersten Jahren. Inzwischen hat man ein wenig das Gefühl, dass der Marathon-Hype ein wenig abgeebbt ist, zumindest auf der Insel. Sehen Sie diese Gefahr?

Ich kann das für Mallorca nicht beurteilen. Aber international gesehen ist Marathonlaufen immer noch ein Hype und das wird auch so bleiben. Ich glaube, wenn das mit der internationalen Vermarktung dann wieder startet, müssen wir uns vielleicht eher fragen, wie viele Läufer wollen und können wir denn überhaupt stemmen? Wir müssen das ja auch bewerkstelligen.

Gibt es schon konkrete Planungen für den Marathon? Streben Sie eine neue Rekordteilnehmerzahl an?

Es ist tatsächlich so, dass 10.000 Läuferinnen und Läufer die Grenze sind. Aus Sicherheitsgründen sollte diese Zahl nicht überschritten werden. Unser Vertrieb ist bereits in zehn Ländern gestartet. Wir machen diesmal aber nur einen Tag, den Kids Run gibt es dieses Jahr noch nicht wieder. Wir fangen erst einmal an und schauen, dass wir das gut hinkriegen.

"Es geht uns nicht um Promis, sondern darum, anzukommen und Spaß zu haben."

Wie sieht es mit Rahmenprogramm aus?

Wir haben uns schon einige Gedanken gemacht, das Rennen soll auf Social Media live gestreamt werden. Influencer werden eingeladen, um das Event bekannter zu machen. Aber es geht vor allem darum, als Familie oder Gruppe Spaß zu haben. Es geht nicht darum zu gewinnen, sondern es ins Ziel zu schaffen. Wir sind in diesem Jahr natürlich sehr kurzfristig eingestiegen, in den kommenden Jahren können wir dann mit mehr Vorlauf auch mehr organisieren.

Sie haben von Influencern gesprochen. Gibt es wie in früheren Ausgaben Prominente, die mitlaufen sollen?

Es geht uns nicht um Promis, sondern darum, anzukommen und Spaß zu haben. Wir haben aber mit mehreren Prominenten gesprochen, die Interesse gezeigt haben. Aber wir haben noch keine festen Zusagen.

Es soll fünf Marathons geben. Wo sollen die angesiedelt werden?

Es wäre schön, einen in Griechenland zu haben oder einen in Marokko. Aber es kommt ja auch darauf an, was gerade möglich ist. Es sollen auf jeden Fall Urlaubsdestinationen sein.

Und welche anderen zwei Sportarten könnten Sie sich vorstellen zu sponsern?

Da sind wir in finalen Abstimmungen. Es muss sowohl zu unserer Marke passen, als auch als Sportart zu unserer Zielgruppe. Es soll ein Sport sein, bei dem man mit Spaß etwas erreichen kann und nicht verbissen hinter dem Sieg her ist.

Über welche zwei Sportarten sprechen wir? Radfahren dürfte dabei sein.

Die möglichen Kandidaten liegen nahe. Beispielsweise passt Tui sehr gut zu Wassersportarten. Wir haben auch über 1.000 Sportplätze in unseren Hotels weltweit, Tennisplätze, Fußballplätze. Sportarten, die man dort ausüben kann, wären sinnvoll. Über Radsport haben wir noch gar nicht nachgedacht. Aber wir wollen zeitnah eine Entscheidung treffen, was es letztendlich wird.

"Die Buchungssituation ist sehr gut, das ist das Positive."

Tui ist auch durch Mallorca großgeworden. Was können Sie der Insel noch zurückgeben?

Wir sind ein wichtiger Arbeitgeber auf den Balearen, haben ja beispielsweise unseren Musement-Hauptsitz hier, ein Geschäft, das weltweit operiert. Wir unterstützen über die Tui Care Foundation auch Nachhaltigkeitsinitiativen, wie etwa Wiederaufforstungsprojekte und die Renaturierung der Küsten.

Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit sonst aus, eines ihrer Steckenpferde?

Ja, wir unternehmen ja bei den Hotels sehr viel dafür, dass sie CO2-neutral werden. Wo wir Solaranlagen bauen können, bauen wir die. Plastikfrei, Wasserverbrauch und das soziale Thema: Da gibt es kaum jemanden, der das so intensiv tut wie die Tui. Wir überlegen jetzt auch, unsere Busflotte auf Elektro umzustellen.

Der Tui-Marathon ist ja vor allem für den Herbst geplant, um die Saison zu verlängern. Auch, weil es im Sommer einfach keinen Platz mehr gibt? Wie sieht das gerade aus bei Ihnen?

Die Buchungssituation ist sehr gut, das ist das Positive. Auf der anderen Seite geht es aber ja auch um die soziale Akzeptanz vor Ort. Das hat viel mit Kostenentwicklung zu tun, ob im Restaurant, ob im Supermarkt, bis hin zu Mieten. Das Thema soziale Akzeptanz ist ein Thema, das viel größer werden wird in den nächsten Jahren und auch muss. Auf den Kanaren gibt es eine Abwanderung der Bevölkerung, weil sie keinen Wohnraum finden. Und wenn das nicht funktioniert, dann hat der Tourismus insgesamt ein Problem. Wir bringen Kunden in der Regel ins Hotel, und schauen auch, dass wir die Mitarbeiter unterbringen. Das ist die Form des Urlaubs, die die höchste soziale Akzeptanz haben sollte. Wir kaufen verstärkt lokal ein.

"Wenn die öffentliche Hand mithilft, beispielsweise Grundstücke zur Verfügung stellt, können wir Apartment-Häuser bauen, die Mitarbeitern wie lokaler Bevölkerung gleichermaßen zur Verfügung stehen."

Ein riesiges Problem auf Mallorca wie an vielen Urlauberdestinationen ist die Wohnsituation für die Einheimischen. Wie könnte eine Lösung aussehen?

Ich kenne das von anderen Destinationen. Dort sagen die Einheimischen: Der Deutsche, der Franzose, der Schweizer, der Engländer zahlt immer ein paar tausend Euro mehr. Es gibt so viele Zweitimmobilien und Airbnbs, die nicht dem lokalen Mietmarkt zur Verfügung stehen. Das Thema wird mittel- und langfristig wichtig sein, denn wir müssen die Lebensgrundlage für die Bevölkerung aufrecht erhalten. Ich habe auf der Tourismusmesse ITB mit Regierungen besprochen, was wir tun können. Wenn die öffentliche Hand mithilft, beispielsweise Grundstücke zur Verfügung stellt, können wir Apartment-Häuser bauen, die Mitarbeitern wie lokaler Bevölkerung gleichermaßen zur Verfügung stehen. Lehrer, Mitarbeiter in Krankenhäuser und Geschäften, sie alle brauchen bezahlbaren Wohnraum vor Ort. Diese Idee kam bei anderen Destinationen, beispielsweise in Griechenland, bereits gut an. Für Hotelmitarbeiter haben wir bereits ähnliche Konzepte umgesetzt. Wir sind gerne bereit, an der Lösung mitzuarbeiten. Auf Fehmarn, wo ich in Teilen aufgewachsen bin, etwa gibt es eine Zweitimmobiliensteuer. Das hilft, den Markt zu entzerren. Wir sind bereit, Investitionen zu tätigen und mitzuhelfen.

Könnten Sie sich auch auf den Balearen vorstellen, Apartment-Häuser für die Einheimischen zu bauen?

Wenn es gewünscht ist, natürlich. Jetzt ist ja eine neue Regierung am Ruder, die ersten Gespräche waren gut. Wir verstehen uns als Partner, auch bei diesen Herausforderungen.

Schaffen Sie die 2 Millionen Urlauber, die angepeilt waren?

Ich gehe nicht davon aus, dass es einen Einbruch geben wird. Und wenn dem nicht so ist, dann werden wir signifikant und gut wachsen.

Die Deutschen scheinen ja beinahe jeden Preis für ihren Urlaub zu bezahlen?

Der Urlaub ist und bleibt sehr wichtig, nicht nur für die Deutschen. Aber natürlich haben die meisten ein festes Budget. Der Gast ist bereit, für seinen Urlaub gut zu zahlen, aber auch Urlaubsziele stehen untereinander im Wettbewerb. Der Sommer ist Hochsaison und die ist immer stark gefragt, die Vor- und Nebensaison ist oft günstiger und die Urlaubsorte können die Saison verlängern. Das sichert ganzjährig Auslastung und Beschäftigung.

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