Mallorca Championships gehen los: Wie der heilige Wimbledon-Rasen trotz der Hitze auf der Insel wächst

Der Schotte Gordon Johnston kümmert sich um das Grün in Santa Ponça. Im Interview verrät er, warum er seine Arbeit so liebt

Greenkeeper Gordon Johnston auf dem exakt auf neun Millimeter gestutzten Grün in Santa Ponça. | FOTO: NELE BENDGENS

Greenkeeper Gordon Johnston auf dem exakt auf neun Millimeter gestutzten Grün in Santa Ponça. | FOTO: NELE BENDGENS

Ralf Petzold

Ralf Petzold

„Die Schotten bekommen nichts gebacken. Zum Glück lebe ich seit Jahrzehnten im Ausland und habe nur noch wenige Verbindungen zu meiner Heimat“, kommentiert Gordon Johnston den Auftritt seiner Landsmänner bei der 1:5-Klatsche gegen Deutschland im Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft am Freitag. Umso begeisterter spricht er über den Beruf des Greenkeepers. Mit seiner Firma Global Sports Turf ist der 58-Jährige der Platzwart des Wimbledon-Rasens in Santa Ponça. Vier Mitarbeiter helfen ihm dabei. Seine Arbeit wird ab Samstag (22.6.) wieder auf die Probe gestellt, wenn die einwöchigen Mallorca Championships anstehen. Das ATP-Turnier bereitet die Tennisprofis auf den Grand Slam in Wimbledon vor (Karteninfos unter www.mallorca-championships.com).

Blutet Ihnen nicht das Herz, wenn die Sportler über Ihren gepflegten Rasen laufen?

Das ist mir im ersten Jahr passiert. Dann dachte ich mir: ‚Was soll’s! Fängst du halt wieder von vorne an.‘ Mittlerweile schaue ich gerne zu und beobachte, wie der Ball springt. Daraus kann ich lernen, ob ich etwas an den Platzverhältnissen für das nächste Jahr ändern muss.

Zumal Sie nach dem Turnier den Rasen sowieso eingehen lassen.

Ja, es wäre nicht nachhaltig, den Platz im Hochsommer zu wässern. Im September säe ich den Rasen neu aus. Das dauert dann zwei bis drei Monate, ehe wieder darauf gespielt werden kann. Letztlich ist es ein ganzjähriger Job für eine Woche Tennis.

Orte, an denen kaum ein Gradhalm gewachsen ist

Sie haben direkt nach der Schule drei Jahre am College studiert, um Platzwart zu werden. War es immer Ihr Traum, professioneller Greenkeeper zu sein?

Ich hatte sehr viel Glück in meinem Leben. Aufgewachsen bin ich in der Kleinstadt Falkland. Ich habe schon als Kind liebend gerne Golf gespielt. Mein Vater kaufte mir eine Mitgliedschaft im Club. Damals wie heute kostete das ein kleines Vermögen. In den Sommerferien suchten sie eine junge Aushilfe, die den Greenkeepern assistiert. Nach fünf Tagen war mir klar: Das will ich den Rest meines Lebens machen. Der Job führte mich um die ganze Welt. Ich arbeitete in 14 verschiedenen Ländern, darunter Orten, wo kaum ein Grashalm gewachsen ist. Es ist ein Abenteuer.

Wo war es denn besonders knifflig, das Gras sprießen zu lassen?

Nigeria war hart. Einerseits die Hitze, andererseits die Probleme mit den Mitmenschen. Es ist ein gefährliches Land. Kidnapping stand auf der Tagesordnung. Ich verließ das Haus nur mit einem Bodyguard und hatte einen persönlichen Chauffeur. Dazu kamen Krankheiten. Mich erwischten Malaria und verschiedene Lebensmittelvergiftungen. Ich will die Erfahrung aber nicht missen, in gewisser Weise war es auch aufregend.

Was lernt man auf der Platzwart-Schule?

Die Wissenschaft um Erde und Pflanzen. Im Endeffekt dreht sich aber alles um Gras. Damals, 1985, war es der einzige Greenkeeper-Studiengang, den es in Europa gab.

Reisen als Privileg

Wenn Sie so oft von Land zu Land gezogen sind, hat es Ihnen anscheinend nirgends sonderlich gut gefallen.

Das Reisen sehe ich als Privileg. Ich halte meinen Job nicht für Arbeit. Für mich ist es eine Leidenschaft. Ich gehe am Abend besonders früh ins Bett, weil ich es nicht abwarten kann, mich am nächsten Morgen wieder um den Rasen zu kümmern. Und das nach so vielen Jahren, die ich den Job schon mache.

Ist Mallorca auch nur der nächste Schritt oder die Endstation?

Auf keinen Fall die Endstation. Ich bin hier, weil ich mittlerweile ein Experte darin bin, Grasarten aus kühlen Regionen in extrem heißen Orten wachsen zu lassen. Daher war ich auch so lange in Afrika oder in den Gebieten rund um den Indischen Ozean.

Was hat Sie nach Mallorca verschlagen?

Ich war als Aushilfe beim ATP-Turnier in Stuttgart. Es war nicht viel, nur ein kleiner Besuch, um Rat zu geben. Dort fragte man mich, ob ich mich nicht um den Platz auf Mallorca kümmern möchte. Vier Jahre ist das nun her. Ich lebte damals in Südafrika und reiste viel zwischen dort, München und Asien umher. Ich wurde langsam alt und war der vielen Stunden im Flieger etwas überdrüssig. Ich sagte zu, da ich vorher schon auf einer Insel gearbeitet hatte und mich mit den Besonderheiten auskannte.

Was macht das Wimbledon-Gras besonders grün?

Es gibt Tausende verschiedener Grasarten. Was macht das Wimbledon-Grün besonders?

Im Endeffekt gibt es zwei verschiedene Kategorien: Gräser, die in kalten Regionen wachsen, und solche, die das tropische Klima bevorzugen. Damit das Grün unter den falschen Wetterbedingungen wächst, müssen wir Hybride züchten und es manipulieren. Das Wimbledon-Gras heißt offiziell Lolium perenne, im Volksmund als Ausdauernder Lolch bekannt. Der Hybrid, den wir hier nutzen, heißt Greenland. Dieser Rasen lässt den Ball besonders schön springen. Die tropischen Gräser sind eher fluffig. Da springt nichts.

Wie sieht die tägliche Pflege aus?

Das hängt vom Wetter ab. Wir kümmern uns aber stundenlang darum. Drei Mal die Woche wird das Gras auf neun Millimeter gestutzt. Ist es zu heiß, eher weniger, damit der Rasen nicht verbrennt. Je gesünder das Gras ist, umso weniger Wasser braucht es. Alle zwei Tage gießen wir mit recyceltem Schmutzwasser.

Gibt es Unterschiede bei der Rasenpflege zwischen Tennis- und Golfplätzen?

Die grundsätzliche Wissenschaft der Rasenzucht ist die gleiche. Im Tennis sind 15 Prozent Tonerde unter dem Gras, was ebenfalls dafür sorgen soll, dass der Ball springt. Allerdings absorbiert es auch die Hitze, was meinen Job schwieriger macht. Im Golf ist es ein eher sandiger Untergrund.

Alle zwei Monate kommen die Wimbledon-Experten, um Ihre Arbeit zu überprüfen. Ist das nicht ein Zeichen des Misstrauens?

Auf keinen Fall. Mit meinem Unternehmen bin ich direkt von Wimbledon angestellt. Letztlich ist es meine Mission, eine detailgetreue Kopie des englischen Rasens zu machen. Da ist mir jede Hilfe recht.

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