Dominic Thiem über seinen tiefen Fall: "Wollte erzwingen, dass es wie früher ist“

Der Tennisprofi gewann 2020 die US Open. Danach gibg es steil bergab. Nun beendet er bald seine Karriere

Dominic Thiem hat den Spaß am Tennisspielen wiedergefunden. Auf Mallorca flog er aber in der ersten Runde raus.  | FOTO: BORRÀS

Dominic Thiem hat den Spaß am Tennisspielen wiedergefunden. Auf Mallorca flog er aber in der ersten Runde raus. | FOTO: BORRÀS

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Dominic Thiem galt als Sandplatzprinz und legitimer Nachfolger von Rafael Nadal, gegen den er zwei Mal im French-Open-Finale unterlag. 2020 ging der Stern des heute 30-Jährigen aus der Wiener Neustadt gänzlich auf. In der vierten Teilnahme im Endspiel eines Grand Slams sicherte sich der Österreicher die ersehnte Trophäe. Nach dem Sieg bei den US Open und dem Erreichen des ATP-Finals stürzte Thiem in eine Krise. Als Knackpunkt gilt eine Verletzung, die er sich beim Debüt der Mallorca Championships 2021 zugezogen hat. Mittlerweile hat der Profi sein Karriereende nach Ablauf der Saison angekündigt. Auf seiner Abschiedstour ist er auf den Rasen nach Santa Ponça zurückgekehrt. Es war ein kurzes Comeback. Thiem verlor beim Auftakt am Montag (24.6.) gegen Gaël Monfils. Die MZ sprach vor dem Match mit ihm.

Spielt es sich leichter, nachdem Sie Ihr Karriereende angekündigt haben?

Leichter nicht, ich habe aber wieder die Freude am Tennis gefunden. Die vergangenen beiden Jahre waren nicht einfach. Ich habe immer versucht, an frühere Zeiten anzuknüpfen. Vielleicht wollte ich es sogar zu sehr. Jetzt kann ich das Tennis wieder genießen. Es fühlt sich an wie damals, als ich jung war und gerade mit dem Sport begonnen hatte. Die reine Freude am Spiel selbst ist zurück. Das ist schön.

Ein Rafael Nadal denkt nun schon wieder über den Rücktritt vom Rücktritt nach. Wie felsenfest ist Ihre Entscheidung?

Absolut felsenfest. Sie fühlt sich richtig an. Jeder Tag bekräftigt mich in der Entscheidung. Den Ausschlag hat die Einsicht gegeben, dass ich einfach nicht mehr an mein altes Level herankomme. Ich bin dankbar für die tolle Zeit, distanziere mich nun aber langsam von dem Leben als Tennisprofi und verabschiede mich bald.

Sprich selbst ein überraschender Turniersieg würde daran nichts ändern?

Nein, auf keinen Fall. Das würde meinen Abschied aber abrunden. Vielleicht gelingt mir noch einmal ein Sieg gegen einen richtig guten Gegner oder gar ein Titel. Mir bleiben nur noch fünf oder sechs Turniere. Da will ich mir auf jeden Fall die Chance für noch einen coolen Moment erhalten.

Sie gehören zu den Spielern mit den meisten Siegen gegen Nadal, Federer und Djokovic. Wie besiegt man einen Tennisgott?

Das ist schon ein spezielles Gefühl, gegen die zu spielen. Das hat sich entwickelt. Am Anfang war es purer Wahnsinn, gegen sie anzutreten. Ich kannte sie aus dem Fernsehen. Schon damals gehörten sie zu den besten Spielern aller Zeiten. Dann stand ich plötzlich vor ihnen. Es geht nicht nur darum, den Tennisspieler Nadal, Federer oder Djokovic zu besiegen, sondern deren ganze Erscheinung und Energie. Das macht es so schwierig. Nicht umsonst sind es derartige Ausnahmesportler.

Für eine Olympia-Teilnahme müssen Sie hoffen, dass Andy Murray auf eine Wildcard verzichtet. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Ich habe noch eine kleine Hoffnung. Wenn es eine Möglichkeit gibt, spiele ich auf jeden Fall. Olympia und ich war bislang eine unglückliche Beziehung: 2012 war ich noch nicht gut genug, 2016 habe ich mein Heimturnier Kitzbühel bevorzugt, was ich nicht bereue, 2020 wäre mein Jahr gewesen, dann wurden die Spiele aber wegen Corona verschoben. Und 2021 habe ich mich kurz vorher verletzt. Ich dachte eigentlich, dass wird nie mehr was. Da sich nun Andy Murray wohl auch verletzt hat, öffnet sich wieder eine kleine Tür. Schauen wir mal.

Warum ging es nach Ihrem fantastischem Jahr 2020 so steil bergab?

Da sind ein paar unglückliche Dinge passiert. Nach dem US-Open-Sieg fehlte mir das Ziel vor Augen. Ohne geht es nicht. In den Sphären, in den ich mich bewegt habe, ist die Luft sehr dünn. Fehlen da ein paar Prozent, fällt man ab. Genau das ist mir passiert. Als ich dieses Feuer, diesen Drive wiedergefunden habe, verletzte ich mich auf Mallorca an der Hand. Davon erholte ich mich letztlich nie. Das Gefühl im Handgelenk war nie mehr so wie zuvor. Dann haderte ich lange damit und wollte erzwingen, dass es wie früher ist. Mittlerweile habe ich umgedacht. Jetzt bin ich dankbar und sehe die vergangenen zwei Jahre als gute Erfahrung.

Jetzt haben Sie wieder hier gespielt, wo die Verletzung passierte. Sind Sie mit einem mulmigen Gefühl auf den Platz zurückgekehrt?

Überhaupt nicht. Ich glaube, mein Handgelenk war durch mein ganzes Tennisleben stark belastet. Es wäre so oder so passiert. Ob nun auf Mallorca oder in Wimbledon, ist dann auch egal. Ich finde es einfach schön hier. Es ist wegen der österreichischen Organisation wie ein Heimturnier für mich. Die Verletzung ist nur ein kleiner schwarzer Fleck, damit hat Mallorca aber nichts zu tun.

Freuen Sie sich schon darauf, dass Sie sich bald nicht mehr täglich im Fitnessstudio oder auf dem Tennisplatz quälen müssen?

Einerseits schon, andererseits habe ich 20 Jahre lang gespielt. Ich glaube nicht, dass ich es von einem Tag auf den anderen sein lassen kann, an meine Grenzen zu gehen. Ich werde mir andere Dinge suchen, um diesen Kick zu finden. Ich habe vor, andere Sportarten intensiver zu betreiben. Das gab das Tennis bislang nicht her.

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