Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Alle wollen "Mallorca-Vibes" - der neue Mallorca-Hype in den USA

US-Reiche und Schöne entdecken verstärkt Mallorca für sich – und ziehen weitere Landsleute an. Was begeistert sie so? Wer profitiert davon? Und kaufen sie am Ende alles auf?

Illustration: American Lifestyle auf Mallorca Microsoft Designer (KI)

Die Bergkulisse im Hintergrund, davor der Strand, türkises Wasser – der Torrent de Pareis macht sich bekanntermaßen gut auf Fotos. Wenn dann noch, wie Anfang Juni geschehen, eine der auf Instagram meistbeachteten Influencerinnen der Welt – Kylie Jenner vom Jenner-Kardashian-Clan – davor posiert, gehen die Aufnahmen um die Welt. Genau wie Fotos von Mark Zuckerberg mitsamt Familie und 300-Millionen Yacht vor Calvià, Michael Douglas in Deià oder von Michael Jordan in Portixol. Sie alle befeuern einen Trend, der in den vergangenen Jahren immer mehr Fahrt aufgenommen hat: US-Amerikaner reisen nach Mallorca – und bringen weitere Landsleute auf den Geschmack. Einige kommen, um zu bleiben.

„Manche US-Amerikaner wissen nicht, wo genau Spanien liegt, geschweige denn Mallorca. Aber in gewissen Kreisen gewinnt die Insel immer mehr Bekanntheit“, sagt Pedro Barbadillo von der Mallorca Film Commission, der enge Kontakte in die USA pflegt und erst Anfang Juni wieder Location Scouts auf der Suche nach emblematischen Inselorten begleitete. „Promis wie Michelle Obama oder Tom Cruise bringen durch ihre Besuche Mallorca aufs Tableau. In der US-Filmbranche ist Mallorca mittlerweile bekannt als Ort mit hoher Lebensqualität, wo man Ferien macht“, sagt der Filmemacher. Es sei ein neues Phänomen, das durch die sozialen Medien noch einmal befeuert werde. „Auf Nicole Kidmans Post ‚I love Mallorca‘ vergangenes Jahr bei den Dreharbeiten zu ‚Lioness‘ gab es Hunderttausende Reaktionen. Natürlich kommen längst nicht all diese Menschen hierhin, aber Einfluss hat es.“

Erfreulich für die Luxushotel-Branche

Kendall Jenner an der Westküste von Mallorca Instagram

Das bestätigt seine Kollegin Sandra Lipski. Die deutsche Gründerin des Evolution International Film Festival wuchs auf Mallorca auf, arbeitete dann aber viele Jahre in den USA, bis sie vor Kurzem mit Ehemann und Tochter nach Mallorca zurückkam. Noch immer hat sie ein großes Netzwerk in L.A. und New York. „Sicherlich hat der Direktflug, der vor zwei Jahren von New York nach Palma eingeführt wurde, mit dem neuen Mallorca-Trend zu tun, aber auch die Tatsache, dass in den vergangenen zehn Jahren viele internationale Filmdrehs auf Mallorca stattgefunden haben“, so Lipski. „Gewöhnlich machen US-Amerikaner in Europa Rundtrips. Dass sie auch Zwischenstopps in Mallorca einlegen, ist relativ neu.“

Für die Luxushotelbranche ist der Trend erfreulich. Hoteldirektor Björn Spaude hatte gerade ein US-amerikanisches Paar bei sich im Castell Son Claret zu Gast. Im Anschluss an den Aufenthalt in Es Capdellà reiste es noch weitere zwei Wochen über die Insel, von einem schönen Hotel zum nächsten. „Etliche unserer US-Gäste finden über einen Verbund wie ,The Leading Hotels of the World‘ oder auf das Luxussegment spezialisierte Reiseagenturen zu uns“, sagt Spaude. Im August eröffnet zudem das ehemalige Hotel Formentor unter der Führung der Luxushotelkette Fours Seasons. Die kanadische Marke hat traditionell viele US-Gäste.

Mehr als Sonne und Strand

Oprah Winfrey (links) mit Freunden bei Port d'Andratx auf Mallorca Instagram

Der Übergang vom Kurzreisenden zum Langzeiturlauber bis hin zum Teilzeit- oder Dauer-Residenten ist dabei oft fließend. „Viele US-Amerikaner kommen für ein, zwei Wochen in ein Hotel und verlieben sich in die Insel. Im zweiten Jahr mieten sie ein Haus und im dritten Jahr kaufen sie eines, um mehrere Monate hier zu verbringen oder ganz überzusiedeln“, berichtet auch Drew Aaron. Der amerikanische Unternehmer und Kunstsammler hat viel mit Landsleuten auf der Insel zu tun. „US-Urlauber wollen auf Mallorca Neues entdecken und sind sehr offen. Es geht ihnen nicht nur um Strand und Sonne, das könnten sie auch in Miami haben, sondern um unvergessliche Erlebnisse, Authentizität, Lifestyle, kurz: um Mallorca- Vibes“, so der Galerist.

Vor allem Palmas Altstadt mit ihren Boutique-Hotels habe es ihnen angetan, aber auch Luxusresidenzen in der Tramuntana. „Die meisten Urlauber sind sehr wohlhabend. Studien zufolge geben sie etwa drei Mal mehr Geld aus als andere Touristen“, sagt Aaron. Er selbst erlag schon vor dem Trend dem Mallorca-Bann. Gemeinsam mit seiner Frau kehrte er Manhattans High Society vor sieben Jahren räumlich den Rücken, um sich dauerhaft im beschaulichen Alaró niederzulassen. „Wir könnten glücklicher nicht sein und werden sicher nicht in die USA zurückkehren, obwohl ich meine Heimat liebe.“

Auf der Suche nach Sicherheit

Nicole Kidman vergangenes Jahr in der Tramuntana Instragram

Die Vorzüge des Lebens auf der Insel seien ausschlaggebend. „Die Infrastruktur ist ausgezeichnet, es gibt ein reichhaltiges kulturelles Angebot, und das nicht nur im Sommer, es gibt Direktflüge nach ganz Europa, die Gastronomie ist hervorragend, das Klima angenehm. Das findet man nirgendwo anders.“ Und dann sei da noch der Sicherheitsaspekt. Rassismus, politische Unruhen, Gewalt und Schießereien hätten in den vergangenen Jahren in den USA zugenommen. „Auch die Pandemie wurde auf Mallorca deutlich besser gemanagt. Es ist traurig zu sehen, wie sich die Situation in den USA verschlechtert, aber ich fühle mich auf Mallorca einfach sicherer“, sagt er.

Jeff Harter empfindet das ähnlich. Der 61-Jährige wohnt seit 17 Jahren auf der Insel. Damals waren Massaker in den USA noch Einzelfälle und Online-Plattformen wie Instagram, die den Mallorca-Trend beflügeln, existierten gar nicht. Der Koch aus Colorado verfolgt weiter die Nachrichten in seiner Heimat – und bereut die Auswanderung nicht. „Ich habe noch Familie in den USA. Vergangenes Jahr wurden bei einem Amoklauf nur 15 Minuten vom Haus meines Bruders entfernt 18 Menschen getötet.“ Das Leben in Spanien sei friedvoller. „Wir haben damals höheres Einkommen gegen höhere Lebensqualität eingetauscht.“ Anfangs habe er kaum Landsleute auf der Insel angetroffen, das sei jetzt anders, es werde ihm fast zu viel.

Ungeachtet der allgemeinen Massentourismus-Diskussion bastelt die Tourismusmarketing-Abteilung des Inselrats aktuell weiter an Werbe-Events in den USA – auf MZ-Anfragen reagierten die Verantwortliche nicht. Zudem soll die Fluggesellschaft United Interesse daran haben, bald auch einen Direktflug von Miami nach Palma anzubieten. Dass sich der US-amerikanische Mallorca-Hype zu einem neuen Massenphänomen auswächst, ist bislang dennoch unwahrscheinlich. „Die Zahl der Immobilienkäufer aus den USA ist in den vergangenen zwei, drei Jahren enorm gestiegen, aber es handelt sich dennoch um einen Nischenmarkt“, sagt Alby Euesden.

Qualität statt Quantität

Michael Douglas bei Deià auf Mallorca Instagram

Der Brite hat mitgeholfen, die im Februar 2023 in Puerto Portals eröffnete Filiale der großen US-Immobilienkette The Agency aufzubauen, die auf Käufer aus den Vereinigten Staaten spezialisiert ist. „Wir reden von einem höchst luxuriösen Sektor.“ Qualität statt Quantität. „Es geht nicht um kleine Apartments, sondern um Villen, Fincas und Altstadtpaläste mit einem Durchschnittskaufpreis von 5,5 Millionen Euro“, so Euesden. Gerade historische Gebäude fänden bei den US-Amerikanern Anklang. „Ein Haus am Meer könnten sie sich in der Karibik kaufen, aber Objekte mit Geschichte gibt es dort nicht.“ Es sei der spanisch-europäische Charme, der sie anzöge.

„Das Essen ist hier frischer, qualitativer, liebevoller zubereitet“, schwärmt Andrew Grunseth über die mediterrane Küche. Dass der 41-Jährige vor zwei Jahren von New Mexico nach Selva übersiedelte, liegt aber an seiner Frau. „Sie ist Mallorquinerin, hier haben wir ein familiäres Netz.“ Anders als viele seiner Landsleute ist er schon nach kurzer Zeit integriert, hat sogar Katalanisch gelernt. „An einige kulturelle Unterschiede muss man sich gewöhnen. Und alles hier ist kleiner, die Menschen, die Straßen, die Autos und die Häuser.“ Seiner Frau zuliebe würde er überall hinziehen. Doch er ist froh, dass es Mallorca geworden ist. „Es ist nicht schwer, sich hier wohlzufühlen.“

Artikel teilen

stats