Mehr als nur die Legalisierung von Schwarzbauten: Diese drastischen Maßnahmen hat die Balearen-Regierung "heimlich" verabschiedet

Die Landesregierung stellt ihr Dekret zum Abbau der Bürokratie vor. Manches war schon bekannt, doch finden sich im finalen Text noch zahlreiche Überraschungen

Bisher durften nur 300 Besucher am Tag auf Cabrera anlegen. Mit dem neuen Dekret können es 300 gleichzeitig sein.

Bisher durften nur 300 Besucher am Tag auf Cabrera anlegen. Mit dem neuen Dekret können es 300 gleichzeitig sein. / Gob

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die Gesetzesverordnung zum Bürokratieabbau auf den Balearen ist seit Ende Mai verabschiedet und bereits im Gesetzesblatt der Inseln veröffentlicht. Über die nachträgliche Legalisierung von Schwarzbauten im ländlichen Raum, die dank des decreto ley in manchen Fällen ab sofort möglich ist, hat die MZ bereits berichtet. Doch die Verordnung umfasst weit mehr als diesen Aspekt. Ganze 46 Gesetze, die derzeit in Kraft sind, werden durch das Dekret modifiziert. Behördliche Vorgänge werden vereinfacht, bürokratische Zwischenschritte abgebaut. So sollen unter anderem Baugenehmigungen schneller erteilt, Subventionen zeitnah ausbezahlt und Projekte mit erneuerbaren Energien vorrangig behandelt werden.

Bei manchem, was in der 86-seitigen Gesetzesverordnung geregelt wird, ist allerdings noch unklar, ob es nicht eventuell negative Folgen haben könnte, so beispielsweise für den Landschaftsschutz auf Mallorca. Andere Regelungen haben mit Bürokratieabbau höchstens ganz entfernt zu tun.

Häuser dürfen wieder größer gebaut werden

Eine Änderung, die unter anderem große Auswirkungen auf die Bautätigkeit auf der Insel haben könnte: Die Häuser, die ab sofort im ländlichen Raum gebaut werden, dürfen größer sein als bisher. 2020 hatte die vorherige Linksregierung unter Ministerpräsidentin Francina Armengol verfügt, dass Neubauten im ländlichen Raum je nach Schutzstatus nur noch zwischen einem und maximal zwei Prozent der Grundstücksgröße belegen dürfen. Über diese Änderung dürften sich die Investoren vor allem aus Mittel- und Nordeuropa freuen, die große Häuser bevorzugen.

Ein weiterer Aspekt: Das Verbot, in Gebieten zu bauen, die von Überschwemmungen, Erosion oder Wald- und Buschbränden bedroht sind, fällt weg. Auch diese Einschränkung hatte die Linksregierung eingeführt. Unter anderem gegen diese Lockerung läuft bereits die Umweltschutzorganisation GOB Sturm. Die Modifizierung dieser Norm führte zu „schwerwiegenden Konsequenzen“ für den Landschafts- und Bodenschutz. „Das ist ein Freibrief für Investitionen und die Zerstörung der Landschaft“, kritisiert der GOB.

Parkplätze im ländlichen Raum gestattet

Ähnlich kritisch sehen die Umweltschützer sowie die Sozialisten im Balearen-Parlament eine weitere Modifizierung: Die Landesregierung will temporäre Parkplätze im ländlichen Raum anlegen, um den Ansturm auf bestimmte Orte während der Hochsaison abfedern zu können, etwa an Stränden außerhalb geschlossener Ortschaften. Diese Parkplätze dürfen laut dem Gesetzesblatt nur maximal acht Monate pro Jahr existieren und dürfen sich sowohl auf privatem als auch öffentlichem Grund befinden.

Auch im Tourismusbereich angesiedelt ist der Vorstoß, den vier Inselräten mehr Befugnisse gegen die illegale Ferienvermietung an die Hand zu geben. Die Inspekteure der Inselräte, die die illegalen Vermietungen aufspüren, sollen diese unbürokratisch versiegeln können. Auch Ortspolizisten sollen Ferienwohnungen inspizieren dürfen und bei illegaler Vermietung sperren können. Die Sozialisten zweifeln daran, dass das umgesetzt werden kann. Nach Ansicht des Abgeordneten Marc Pons darf eine Wohnung nur per richterlichem Beschluss versiegelt werden.

Abschaffung der Umweltkommission

Ein wichtiger Bestandteil des Dekrets ist auch die Abschaffung der sogenannten Umweltkommission. Das Gremium setzte sich aus Fachleuten unterschiedlicher Institutionen zusammen. Zehn Generaldirektoren verschiedener Ministerien der Landesregierung, Vertreter der Inselräte sowie drei Experten in Umweltfragen und mehrere Untergremien formten die Kommission, die dafür zuständig war, wichtige Bauprojekte auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu überprüfen. Die Landesregierung sicherte zu, dass auch in Zukunft alle Projekte größeren Ausmaßes streng geprüft würden, dennoch hagelte es von vielen Seiten Kritik an der Abschaffung des Gremiums. Speziell Landschaftsschützer werfen der Landesregierung vor, das Territorium der Insel der Spekulation und der Bauwut zu opfern.

Mehr gebaut werden können soll laut dem Dekret auch im Parc Bit. Im Technologiedistrikt war es in den vergangenen Jahren nicht gestattet, Wohnraum zu errichten, weil die Linksregierung diese Möglichkeit ausschloss. Das soll sich wieder ändern. Nun sollen dort Wohnungen gebaut werden können, die dann Mitarbeitern von Firmen im Parc Bit oder dem Personal der Balearen-Universität UIB zur Verfügung gestellt werden sollen.

Wasserwirtschaftliche Gutachten sollen in Zukunft die Gemeinden ausstellen dürfen, ohne die übergeordnete Generaldirektion für Wasserwirtschaft zu konsultieren.

Massifizierung von Cabrera?

Aufregung herrscht bei den Umweltschützern auch über Artikel 14 des neuen Dekrets. Dort heißt es, dass sich ab sofort auf der Inselgruppe Cabrera im gleichnamigen Meeresschutzgebiet „300 Personen zeitgleich“ auf dem Land aufhalten dürfen. Nach einer Änderung der vorherigen Linksregierung lautete die Regelung, dass pro Tag 300 Besucher mit dem Schiff auf der Hauptinsel anlegen durften. Mit dieser Maßnahme nehme der Druck auf die Inselgruppe eindeutig zu, kritisiert der GOB. Zumal fraglich sei, was diese Regelung mit einem Bürokratieabbau zu tun habe. Dieser Vorwand werde genutzt, um Beschränkungen zu streichen, die im Kern keinen administrativen Hintergrund hätten.

Kritik gab es von der Oppositionspartei Més auch an einer Zusammenführung von Daten über die Bürger, die staatliche Hilfe beantragen. In einem neuen Register und mithilfe einer der tarjeta sanitaria ähnlichen Karte sollen die Informationen gebündelt werden. Für Protest der Regionalpartei sorgte die Tatsache, dass in dem Register beispielsweise die Herkunft, die ethnische Zugehörigkeit und die sexuelle Orientierung vermerkt sein sollen. „Das sind absolut private Daten, die nichts mit der Inanspruchnahme der Leistung zu tun haben“, kritisiert die Partei.

Auch im Bildungsbereich hat das Dekret Auswirkungen. Privatschulen sollen die Möglichkeit bekommen, kostenlose Krippenplätze für Kinder zwischen null und drei Jahren anbieten zu dürfen. Bisher ist das nur den öffentlichen und halbstaatlichen Trägern gestattet. Halbstaatliche Bildungseinrichtungen sollen bei Umbaumaßnahmen „öffentliches Interesse“ geltend machen dürfen – was bisher öffentlichen Einrichtungen vorbehalten war.

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