Proteste gegen den Massentourismus: So kontert die spanische Tourismusbranche

Der Branchenverband Exceltur hat am Mittwoch (3.7.) zehn Punkte vorgestellt, mit denen die Stimmung im Land verbessert werden könnte

Urlauberin an der Playa de Alcudia im Oktober 2023 (Symbolbild).

Urlauberin an der Playa de Alcudia im Oktober 2023 (Symbolbild). / Nele Bendgens

Die tourismuskritischen Großkundgebungen auf Mallorca, aber auch auf den Kanaren und auf dem Festland zeigen Auswirkungen. Nun reagieren auch die Unternehmer auf den Unmut in der Bevölkerung. Ihr Branchenverband Exceltur hat am Mittwoch (3.7.) ein Manifest mit Maßnahmen veröffentlicht, die den Tourismus wieder zu einer "Branche des Glücks" machen sollen.

Präsentation in Madrid

Das 17-seitige Dokument präsentierten am Mittwoch (3.7.) der Chef der einflussreichen mallorquinischen Hotelkette Meliá und Exceltour-Vorsitzende Gabriel Escarrer sowie die Staatssekretärin für Tourismus, die mallorquinische Politikerin Rosario Sánchez. In Madrid zugegen waren auch andere bekannte Player der Branche von der Insel, etwa OK-Mobility-Chef Othman Ktiri.

Escarrer betonte, die Proteste gegen den Massentourismus könnten zur Folge haben, dass der Eindruck entsteht, "dass die Urlauber hier nicht mehr willkommen sind. Das ist das Schlimmste, was uns passieren kann." Dementsprechend stehe die gesamte Tourismusbranche in der Verantwortung, Bedingungen zu schaffen, damit sich die Einheimischen nicht an den Rand gedrängt fühlten. Hatte der mächtige Hotelchef in der Vergangenheit immer wieder die private Ferienvermietung für die Misere verantwortlich gemacht, nahm er nun den gesamten Sektor in die Pflicht.

Die zehn wesentlichen Punkte des Manifests

  1. Die reale Situation kennen: Nach Ansicht von Exceltur gibt es keine ausreichenden Kenntnisse über die realen Auswirkungen des Tourismus. Sie müssten für jeden Urlaubsort einzeln analysiert werden. Dazu bräuchte es eine umfassende Datenerhebung, möglichst in Echtzeit.
  2. Dialog mit den Einheimischen: Exceltur stellt sich nicht nur einen Austausch mit den Bewohnern der Urlaubsdestinationen vor, sondern plädiert dafür, diese aktiv einzubinden. Die Erkenntnisse der Bevölkerung könnten Ressourcen aufdecken, die bislang außer Acht gelassen wurden. Zugleich sei es wichtig, die Urlauber vor und während ihres Aufenthalts für die kulturellen und identitätsstiftenden Eigenschaften ihres Reiseziels zu sensibilisieren.
  3. Das Authentische wahren: Die Branche soll die öffentliche Verwaltung bei der Bekämpfung von Phänomenen wie der Gentrifizierung unterstützen, die unter anderem für den angespannten Wohnungsmarkt verantwortlich sind. Die örtliche Kultur soll in den Mittelpunkt der touristischen Strategie gestellt werden. Zudem sollen nicht nur die alteingesessenen Geschäfte eines Urlaubsortes geschützt werden, sondern auch jene, die für die Einheimischen in ihrem Alltag von zentraler Bedeutung sind.
  4. Touristensteuer und örtliche Wirtschaft: Die Branche fordert einen intensiven Austausch mit den Behörden über den Sinn und Zweck einer Sonderabgabe für Urlauber. Diese dürfe nicht zu einem Wettbewerbsnachteil der Destinationen führen. Zugleich solle das Geld, das mit einer solchen Steuer eingenommen wird, sowohl den Einheimischen als auch zur Verbesserung der Urlaubserfahrung dienen. Des Weiteren will die Branche verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit Zulieferern aus der Umgebung setzen sowie soziale Projekte unterstützen, die sich für den Ausbau der örtlichen Wirtschaft einsetzen.
  5. Kampf gegen illegale Angebote: Der Branchenverband möchte auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene Instrumente einsetzen, um illegale Angebote zu bekämpfen. Als Beispiel wird die illegale Ferienvermietung genannt. Zugleich wolle man Investitionen tätigen, die dazu beitragen, die Überfüllung an bestimmten Orten zu mindern und neue Erfahrungswerte generieren, um für eine bessere Verteilung zu sorgen.
  6. Wertschätzung der Mitarbeiter: Die Tourismusbranche setzt auf die Erhöhung eines sogenannten "emotionalen Gehalts". Gemeint sind damit Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gleichstellung und Inklusion sowie zur Reduzierung der Saisonarbeit. Gleichzeitig sollen die duale Ausbildung sowie Weiterbildungsprogramme gefördert werden.
  7. Nachhaltigkeit: Exceltur setzt darauf, den begonnenen Kurs in Sachen Kreislaufwirtschaft zu intensivieren. Dazu gehört nicht nur die Nutzung von erneuerbaren Energien und die Verbesserung der Wasserwiederaufarbeitung, sondern auch die Förderung von möglichst nachhaltigen Transportmitteln. Zudem solle der nachhaltige und möglichst klimaneutrale Gebäudebau bevorzugt werden.
  8. Strategie und Technologie: Die Belebung der Neben- und Entzerrung der Hauptsaison sind für die Branche ebenso wichtig wie die Nutzung von Technologien, um die Überfüllung zu vermeiden. Zudem will man neue Anreize für Qualitätsurlauber schaffen und möglichst auf Kampagnen verzichten, die auf Preisdumping und Exzesstourismus abzielen.
  9. Innovation: Es soll eine Zusammenarbeit mit den Behörden geben, um mittels neuer Technologien einen nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Tourismus zu schaffen.
  10. Die Branche erhofft sich eine bessere innerspanische Zusammenarbeit, um den Tourismus wieder im ganzen Land beliebt zu machen. Ziel sei es, als "Branche des Glücks" wahrgenommen zu werden, die von einer breiten Masse der Bewohner begrüßt wird und die über politischen und ideologischen Grabenkämpfen steht.

Lesen Sie hier das spanischsprachige Manifest

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