Nach der Europawahl: Das Regieren in Spanien wird für Ministerpräsident Pedro Sánchez nicht einfacher

Die Regierungspartei PSOE landet bei der Europawahl knapp geschlagen auf Platz zwei. Ihre Partner schwächeln

Yolanda Díaz (re.) trat von ihrem Vorsitz von Sumar zurück. Links Finanzministerin Montero.

Yolanda Díaz (re.) trat von ihrem Vorsitz von Sumar zurück. Links Finanzministerin Montero. / EDUARDO PARRA/EP

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Spanien stach bei der Wahl zum Europaparlament am Sonntag (9.6.) als eines der wenigen Länder heraus, wo die beiden traditionellen Volksparteien fast zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinten und somit Überraschungen vermeiden konnten. Die konservative Volkspartei PP gewann mit 34 Prozent der Stimmen und 22 Mandaten vor den Sozialisten der PSOE mit 30 Prozent und 20 Sitzen.

Die rechtsextreme Vox verbesserte sich gegenüber 2019 auf 9,6 Prozent, lag mit sechs Abgeordneten jedoch abgeschlagen auf dem dritten Platz, anders als die Rechtsextremen in Frankreich, Deutschland, Italien oder Österreich. Die Wahlbeteiligung in Spanien lag knapp unter 50 Prozent.

Eine Erklärung für das relativ gute Abschneiden von PP und PSOE, die sich seit Jahrzehnten an der Regierung abwechseln, war die Kampagne, die im Wesentlichen auf ein Plebiszit über die Linksregierung reduziert wurde. Vor allem die Konservativen hatten die Europawahl zu einer Abstimmung über den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez erklärt und im Wahlkampf harte Munition gegen ihn verwendet, allem voran die Ermittlungen gegen dessen Ehefrau wegen vermeintlichen Interessenkonflikten.

Die beiden Volksparteien

Der Vorsprung der PP auf die PSOE war am Ende mit vier Punkten und zwei Sitzen geringer, als sich der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo anhand der Umfragen noch vor wenigen Wochen ausgemalt hatte. Dennoch bestanden die Konservativen darauf, dass die Wähler der Linksregierung das Vertrauen entzogen hätten und forderten Neuwahlen in Spanien.

„Lassen sie es doch sein“, hielt Núñez Feijóo dem Ministerpräsidenten am Mittwoch in der Fragestunde im Parlament vor. „Ziehen sie das Unvermeidliche nicht ewig hin, denn die Sache gibt nicht mehr viel her“, so der PP-Vorsitzende.

Doch Sánchez denkt gar nicht an Aufhören, trotz der harten persönlichen Kampagne gegen ihn und seine Frau. „Diese Legislaturperiode wird sich für sie noch ziemlich lang anfühlen“, erwiderte er dem Oppositionsführer.

Zum Beleg kündigte Sánchez mehrere Initiativen an. Dazu gehört ein „Maßnahmenpaket für die demokratische Qualität“, sprich die bereits angedeuteten Schritte gegen die Verbreitung von Falschmeldungen, sowie ein Ultimatum an die PP, die Blockade der Erneuerung der Justizorgane zu beenden. Auch die Hilfen gegen die Preisexplosion, wie der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf viele Produkte des Grundbedarfs, sollen über den 30. Juni hinaus verlängert werden.

Die Partner von Sánchez

Für die Minderheitsregierung von Sánchez wird das Regieren nach der Europawahl nicht leichter. Der Koalitionspartner Sumar stürzte wegen des schlechten Abschneidens in eine handfeste Krise. Die Arbeitsministerin Yolanda Díaz, eine von drei Stellvertreterinnen des Ministerpräsidenten, gab am Tag nach der Wahl die Führung des Linksbündnisses auf. Sumar, das erst vor einem Jahr aus dem Zusammenschluss verschiedener linker und regionaler Parteien entstanden war, kam lediglich auf 4,7 Prozent und drei Mandate.

Das lag auch daran, dass die Linkspartei Podemos im Streit mit Díaz und Sumar eine eigene Liste für Europa aufstellte, die 3,3 Prozent der Stimmen und zwei Sitze erhielt. Das politische Spektrum links der Sozialisten steht erneut vor einem Umbruch, auch wenn Díaz ihren Ministerposten und die Führung der Parlamentsfraktion beibehält. Die Krise der Linken ist eines der Argumente der PP, um der Sánchez-Regierung die Legitimität abzusprechen.

Die extreme Rechte

Für die Konservativen lief am Sonntag allerdings auch nicht alles rund. Der starke Auftrieb lag überwiegend daran, dass man sich die acht Abgeordneten von Ciudadanos von 2019 einverleiben konnte und damit praktisch das endgültige Aus der Liberalen besiegelte. Dagegen konnte die PP das Wachstum von Vox am rechten Rand nicht bremsen.

Schlimmer noch, mit der Liste Se Acabó la Fiesta („Die Fiesta ist vorbei“, SALF) konnte der rechtsextreme Influencer Luis Pérez, alias Alvise, aus dem Stand 4,6 Prozent der Stimmen und drei Abgeordnete in Brüssel holen. Der wegen diverser Pöbeleien von der Justiz verfolgte Alvise hielt sein angeblich 300 Seiten langes Programm unter Verschluss und gab nur einzelne Punkte bekannt. So plant er den Bau eines Megagefängnisses für 40.000 Insassen bei Madrid, in dem genug Platz für kriminelle Migranten und korrupte Politiker sein soll.

Sánchez machte Núñez Feijóo dafür verantwortlich, dass es nun gleich zwei rechtspopulistische Gruppen im Parlament gibt. „Das ist ihre Verantwortung, eine Folge der von ihnen betriebenen Polarisierung und ihrem rechtsextremen Diskurs“, sagte der Regierungschef. Der Erfolg von Alvise, der seit Jahren in den sozialen Netzwerken mit rechten Parolen auffällt, gibt jedoch allen Parteien zu denken.

Die Nationalisten

Die Stabilität der Minderheitsregierung und damit die Länge der Legislaturperiode, die noch nicht einmal ein Jahr alt ist, hängt nun vor allem von den katalanischen Separatisten ab. Die bürgerliche Junts des ehemaligen Ministerpräsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, verlor am Sonntag zwei ihrer drei Europaparlamentarier. Die Republikanische Linke ERC konnte im Verbund mit den linken Nationalisten des Baskenlandes EH Bildu, Galiciens (BNG) und Ara Més von den Balearen die drei Sitze vom letzten Mal verteidigen.

ERC hat sich jedoch noch nicht dazu entschlossen, den Sozialisten Salvador Illa nach dessen Sieg bei den Wahlen in Katalonien im Mai zum Ministerpräsidenten zu wählen. Junts besteht darauf, dass die Separatisten geschlossen hinter der Kandidatur von Puigdemont stehen sollen, obwohl die Befürworter der Unabhängigkeit erstmals keine absolute Mehrheit im Parlament von Barcelona stellen.

In Madrid ist Sánchez auf die Stimmen der Katalanen angewiesen, etwa um den neuen Haushalt zu verabschieden. Eine mögliche Wahlwiederholung in Katalonien könnte daher auch schwere Folgen für die Stabilität der Linkskoalition in Madrid haben. Dabei sind die meisten Menschen im Land froh darüber, dass der Dauerwahlkampf seit Jahresbeginn, mit Urnengängen in Galicien, dem Baskenland, Katalonien und Europa nun zu Ende ist – voraussichtlich bis 2026.

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